868. Das Reichsland. Die Organisation des Reichslandes. 255
halb der einzelnen Verwaltungskreise werden die Wahlkreise durch
Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats unter tunlich-
ster Anlehnung an die bestehende Kantonaleinteilung in der Weise
abgegrenzt, daß die Bevölkerung des Verwaltungskreises möglichst
gleichmäßig auf die einzelnen Wahlkreise verteilt wird!) Die Wahl-
kreise müssen örtlich zusammenhängen (8 1).
Die Voraussetzung der Wahlberechtigung?) sind männliches Ge-
schlecht, Reichsangehörigkeit, und ein mindestens dreijähriger Wohn-
sitz in Elsaß-Lothringen. Einjähriger Wohnsitz genügt für Personen,
die in Elsaß-Lothringen ein öffentliches Amt ausüben, oder Religions-
diener oder Lehrer an öffentlichen Schulen sind (8 2 Abs. 1). Die
Ausschließungsgründe von der Berechtigung zum Wählen sind die
üblichen und entsprechen den bei den Reichstagswahlen geltenden;
eigentümlich ist nur die Vorschrift, daß ausgeschlossen sind: »Personen,
welche bei Abschluß der Wählerliste mit den für die letzten beiden
Rechnungsjahre fälligen direkten Staatssteuern oder Gemeindeabgaben
trotz rechtzeitiger Mahnung und ohne Stundung erhalten zu haben,
ganz oder zum Teil im Rückstand sind« ($ 2 Abs. 3 Ziff. 3). Das
Wahlrecht darf nur in der Gemeinde ausgeübt werden, in der der
Wahlberechtigte seit mindestens einem Jahre seinen Wohnsitz hat (& 2
Abs. 4)°). Jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme; das Wahlrecht ist
das gleiche; es gibt weder Klassenwahlen noch Pluralitätsstimmen (8 3).
Wählbar sind die männlichen Einwohner Elsaß-Lothringens,
welche seit mindestens drei Jahren die Reichsangehörigkeit besitzen,
ebensolange in Elsaß-Lothringen ihren Wohnsitz haben, eine direkte
Staatssteuer entrichten und das 30. Lebensjahr vollendet haben und
denen die Ausschließungsgründe von der Wahlberechtigung nicht ent-
gegenstehen.
Die Wahl erfolgt gemeindeweise auf Grund von Wählerlisten. Die
Regeln über die Aufstellung der Wählerlisten und die Erledigung von
Einwendungen gegen dieselben enthält $ 5 des Wahlgesetzes. Bemer-
kenswert ist, daß für die Entscheidung über Einwendungen drei In-
stanzen gegeben sind ; die erste wird gebildet durch den Bürgermeister
und zwei Mitglieder des Gemeinderats, die zweite ist das Amtsgericht,
die dritte das Landgericht. Die Berufung zur Wahl erfolgt durch den
Bürgermeister mindestens acht Tage vor dem Wahltage mittelst orts-
üblicher Bekanntmachung. Der Wahltag muß ein Sonntag sein (8 7).
der Volkszählung vom 1. Dez. 1910. Die bisweilen erheblichen Verschiedenheiten
unter den einzelnen Wahlkreisen beruhen meistens darauf, daß das Wahlgesetz den
räumlichen Zusammenhang der Wahlkreise unbedingt vorschreibt.
1) Die Kaiserlische Verordnung ist am 3. Juli 1911 ergangen und im RGBl. S. 267
verkündet worden. Die Wahlkreiseinteilung kann nur durch (Landes-)Gesetz abge-
ändert werden. Wahlges. $ 13, Abs. 2.
2) Grade diese hätten ihren Platz im Verfassungsges. erhalten sollen.
3) Besondere Bestimmungen für den Fall, daß die Gemeinde in Stimmbezirke
eingeteilt ist oder mehrere Wahlkreise umfaßt, sind in 8 6 des Gesetzes gegeben.