Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

258 8 68. Das Reichsland. Die Organisation des Reichslandes. 
8. Die Einführung des Bundesgesetzes, betreffend die Gleich- 
berechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher 
Beziehung vom 3. Juli 1869 (BGBl. S. 292), welche bisher verabsäumt 
worden war, ist durch 8 25 des Verfassungsgesetzes nachgeholt worden. 
Elsaß-Lothringen wurde dadurch den deutschen Bundesstaaten in 
dieser Beziehung gleichgestellt. Die privilegierte Stellung, welche nach 
dem bisher in Geltung gewesenen französischen Staatskirchenrecht, die 
katholische, lutherische und reformierte Kirche hinsichtlich der öffent- 
lichen Ausübung des Kultus hatten, ist dadurch beseitigt und die 
Sekten sind von den bisherigen Beschränkungen befreit worden !). 
9. Eine nur für Elsaß-Lothringen, dagegen für keinen deutschen 
Bundesstaat erforderliche Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit 
der Reichs- und Landesbehörden betrifft dass Eisenbahnwesen, 
da alle vollspurigen und einige wichtige schmalspurige Eisenbahnen 
in Elsaß-Lothringen im Eigentum des Reichs stehen und von Reichs- 
behörden verwaltet werden. Durch den Frankfurter Frieden sind nicht 
nur die damals vorhanden gewesenen Eisenbahnen privatrechtlich 
gegen einen Kaufpreis dem Reich abgetreten worden, sondern auch 
alle in der Staatsgewalt enthaltenen, das Eisenbahnwesen hetreffenden 
Rechte, die unter dem Namen »Eisenbahnhoheit« zusammengefaßt 
werden, sind auf das Deutsche Reich übergegangen’). Die Ausübung 
dieser Hoheitsrechte sowie die oberste Leitung und Ueberwachung des 
Betriebes gehörte nach der Reichsverfassung zur Zuständigkeit des 
Reichskanzlers als des Chefs aller Zweige der Reichsverwaltung. Diese 
Verwaltung wurde aber, als das Ministerium für Elsaß-Lothringen er- 
richtet wurde, nicht mehr vom Reichskanzleramt für Elsaß-Lothringen, 
sondern von dem Reichsamt für die Reichseisenbahnen geführt?) und 
ging durch das Gesetz vom 4. Juli 1879 auf das Ministerium nicht 
über; denn $ 3 dieses Gesetzes übertrug dem Ministerium nur die vom 
Reichskanzleramt für Elsaß-Lothringen und vom Reichsjustizamt bis- 
her geübten Obliegenheiten. Demnach ist in diesen Funktionen auch 
der Statthalter nicht an die Stelle des Reichskanzlers getreten. Da die 
Geldmittel zum Ausbau und der Ausrüstung der Eisenbahnen in Elsaß- 
Lothringen zum weit überwiegenden Teile aus Reichsmitteln bewilligt 
worden sind und diese Kosten, sowie die Betriebsüberschüsse und 
Verwaltungskosten im Reichsetat veranschlagt werden, so ist der Reichs- 
kanzler für die Befolgung dieser Bewilligungen und Anschläge und die 
Verwaltung der Bahnen dem Bundesrat und Reichstag verantwortlich 
und diese Verantwortlichkeit kann nicht auf den Statthalter, der mit 
dieser Verwaltung nichts zu tun hat, übergehen. Die Ausübung der sogen. 
1) Vgl. die Erklärung des Vertreters der els.-lothr. Regierung im Kommissions- 
bericht S. 43 fg. 
2) Vgl. Wißmann, Enteignungshoheit und Reichseisenbahnen in Els.-Lothr. 
Straßburg 1906. Bruck Bd. 3, S. 159 ff. 
3) Siehe Bd. I, S. 400.
	        
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