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1909 S. 93) zustehen!),. Da aber der Umfang dieser Rechte weder
durch ein Reichseisenbahngesetz noch durch das Landesrecht in klarer
und abschließender Weise festgestellt ist und in dieser Beziehung
Meinungsverschiedenheiten zwischen der Reichs- und Landesverwaltung
entstehen können, so ist die Entscheidung darüber dem Bundesrat
übertragen worden ($ 24 Abs. 2). Es entspricht dies der Funktion,
welche dem Bundesrat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem
Reichskanzler und der Regierung eines Bundesstaates hinsichtlich der
Ausführung eines Reichsgesetzes zusteht. Vergl. Bd. I S. 111.
Den Landesbehörden ist das Recht eingeräumt, daß sie angehört
werden müssen, bevor die Entscheidungen der Reichsverwaltung er-
gehen, wenn durch den Bau neuer oder die Veränderung bestehender
Eisenbahnen die Verkehrsinteressen des Landes berührt oder durch
die Herstellung neuer oder die Veränderung bestehender Eisenbahn-
anlagen in den Geschäftsbereich der Landespolizei eingegriffen wird,
sowie hinsichtlich der Zulässigkeit der Enteignung. In den Entschei-
dungen ist festzustellen, daß die Landesbehörden gehört sind ($ 24
Abs. 3)?).
10. Endlich ist durch 8 26 des Verfassungsgesetzes der Autonomie
und Verwaltung des Reichslandes eine besondere reichsgesetzliche
Schranke gezogen, welche in den eigentümlichen Verhältnissen Elsaß-
Lothringens begründet ist. Sie besteht in dem Grundsatz, daß die
amtliche Geschäftssprache der Behörden und öffentlichen Körperschaften
sowie die Unterrichtssprache in den Schulen des Landes die deutsche
ist und in der Feststellung der hiervon zulässigen Ausnahmen. An
dem bisher geltenden Recht wird hierdurch nichts geändert, dasselbe
aber mit dem Schutz des reichsgesetzlichen Verfassungsrechts umgeben.
8 69. Die Gesetzgebung in Elsaß-Lothringen.
Durch das Verfassungsgesetz vom 31. Mai 1911 ist die Form der
Gesetzgebung im Vergleich mit den bis dahin in Geltung gewesenen
Regeln sehr vereinfacht worden’). Sie unterscheidet sich nicht wesent-
lich von dem in den Bundesstaaten geltenden Recht.
I. Der Weg der formellen Gesetzgebung.
1. Das Recht, Gesetze vorzuschlagen, die sogen. Initiative, steht
dem Kaiser und jeder der beiden Kammern zu ($ 16 Abs. 1). Da das
Gesetz den Kaiser und nicht den Statthalter mit diesem Recht aus-
stattet, so folgt daraus, daß der Statthalter zur Einbringung einer Ge-
1) Motive S. 211g.
2) Vgl. die Motive S. 23.
3) Ueber die Wandlungen der Formen der Gesetzgebung in den verschiedenen
Verfassungsphasen des Reichslandes vgl. die eingehende Darstellung der 4. Auflage
dieses Werkes Bd. II, S. 235 ff.