Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

260 8 69. Die Gesetzgebung in Elsaß-Lothringen. 
1909 S. 93) zustehen!),. Da aber der Umfang dieser Rechte weder 
durch ein Reichseisenbahngesetz noch durch das Landesrecht in klarer 
und abschließender Weise festgestellt ist und in dieser Beziehung 
Meinungsverschiedenheiten zwischen der Reichs- und Landesverwaltung 
entstehen können, so ist die Entscheidung darüber dem Bundesrat 
übertragen worden ($ 24 Abs. 2). Es entspricht dies der Funktion, 
welche dem Bundesrat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem 
Reichskanzler und der Regierung eines Bundesstaates hinsichtlich der 
Ausführung eines Reichsgesetzes zusteht. Vergl. Bd. I S. 111. 
Den Landesbehörden ist das Recht eingeräumt, daß sie angehört 
werden müssen, bevor die Entscheidungen der Reichsverwaltung er- 
gehen, wenn durch den Bau neuer oder die Veränderung bestehender 
Eisenbahnen die Verkehrsinteressen des Landes berührt oder durch 
die Herstellung neuer oder die Veränderung bestehender Eisenbahn- 
anlagen in den Geschäftsbereich der Landespolizei eingegriffen wird, 
sowie hinsichtlich der Zulässigkeit der Enteignung. In den Entschei- 
dungen ist festzustellen, daß die Landesbehörden gehört sind ($ 24 
Abs. 3)?). 
10. Endlich ist durch 8 26 des Verfassungsgesetzes der Autonomie 
und Verwaltung des Reichslandes eine besondere reichsgesetzliche 
Schranke gezogen, welche in den eigentümlichen Verhältnissen Elsaß- 
Lothringens begründet ist. Sie besteht in dem Grundsatz, daß die 
amtliche Geschäftssprache der Behörden und öffentlichen Körperschaften 
sowie die Unterrichtssprache in den Schulen des Landes die deutsche 
ist und in der Feststellung der hiervon zulässigen Ausnahmen. An 
dem bisher geltenden Recht wird hierdurch nichts geändert, dasselbe 
aber mit dem Schutz des reichsgesetzlichen Verfassungsrechts umgeben. 
8 69. Die Gesetzgebung in Elsaß-Lothringen. 
Durch das Verfassungsgesetz vom 31. Mai 1911 ist die Form der 
Gesetzgebung im Vergleich mit den bis dahin in Geltung gewesenen 
Regeln sehr vereinfacht worden’). Sie unterscheidet sich nicht wesent- 
lich von dem in den Bundesstaaten geltenden Recht. 
I. Der Weg der formellen Gesetzgebung. 
1. Das Recht, Gesetze vorzuschlagen, die sogen. Initiative, steht 
dem Kaiser und jeder der beiden Kammern zu ($ 16 Abs. 1). Da das 
Gesetz den Kaiser und nicht den Statthalter mit diesem Recht aus- 
stattet, so folgt daraus, daß der Statthalter zur Einbringung einer Ge- 
1) Motive S. 211g. 
2) Vgl. die Motive S. 23. 
3) Ueber die Wandlungen der Formen der Gesetzgebung in den verschiedenen 
Verfassungsphasen des Reichslandes vgl. die eingehende Darstellung der 4. Auflage 
dieses Werkes Bd. II, S. 235 ff.
	        
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