Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

262 8 69. Die Gesetzgebung in Elsaß-Lothringen. 
1. Der Landeshaushalts-Etat wird alljährlich durch Gesetz festge- 
gestellt ($ 5 Abs. 3). Ueber den Beginn der jährlichen Wirtschafts- 
periode (am 1. April), sowie über die Einrichtung und Anordnung des 
Etats enthält das Gesetz keine Vorschriften; die bisher bestehende 
Uebung wird auch fernerhin befolgt werden. 
2. Die Gesetzentwürfe über die Feststellung des jährlichen Landes- 
haushaltsetats werden zuerst der zweiten Kammer vorgelegt. 
3. Sie werden von der ersten Kammer im ganzen angenommen 
oder abgelehnt. Gegenstand der Beschlußfassung der ersten Kammer 
kann der Etatsgesetzentwurf nur in der Gestalt sein, welche er durch 
die Beschlüsse der zweiten Kammer erhalten hat; die erste Kammer 
kann nicht, wie dies während des Budgetkonflikts das preußische 
Herrenhaus einmal getan hat, erklären, daß sie den Etatsgesetzentwurf 
der zweiten Kammer ablehne, dagegen den von der Regierung vorge- 
legten annehme. Denn die Annahme des Regierungsentwurfs würde 
lediglich den Charakter einer politischen Demonstration gegen das 
andere Haus haben, dagegen ohne staatsrechtliche Wirksamkeit sein. 
Aus der Entziehung des Amendierungsrechts folgt aber, daß das 
Etatsgesetz nicht mit Bestimmungen bepackt werden darf, welche nicht 
in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wirtschaftsplan des Jahres 
stehen. Denn das Recht der ersten Kammer, eine Gesetzesvorlage 
abzulehnen oder abzuändern, darf nicht dadurch beeinträchtigt wer- 
den, daß die Vorlage zu einem Bestandteil des Haushaltsetats gemacht 
und die erste Kammer dadurch in die Zwangslage gebracht wird, sie 
entweder unverändert anzunehmen oder zugleich den Etatsgesetzent- 
wurf abzulehnen. Dies würde gegen 85 Abs. 1 des Verfassungsgesetzes 
verstoßen; die erste Kammer brauchte sich eine solche Verfassungs- 
verletzung nicht gefallen zu lassen. Dies gilt namentlich auch von 
dauernden Steuer- und anderen Finanzgesetzen, falls dieselben mit 
dem Etatsgesetz verbunden werden, auch wenn dies durch ein sogen. 
Mantelgesetz geschieht. 
4. Da auch der Kaiser an dem von der zweiten Kammer beschlos- 
senen Etatsgesetzentwurf keine Aenderung vornehmen kann, sondern 
nur ihn entweder so, wie er lautet, durch seine Sanktion zum Gesetz 
machen oder durch Verweigerung der Sanktion das Fehlen einer etats- 
mäßigen Grundlage der Finanzwirtschaft herbeiführen kann, so sind 
der zweiten Kammer hinsichtlich der Abänderung des von der Regie- 
rung vorgelegten Etatsentwurfs zwei Beschränkungen gezogen. 
a) Einnahmen und Ausgaben, welche durch Reichs- oder Landes- 
gesetze oder andere Rechtstitel begründet sind, können nicht verwei- 
gert, sondern nur, soweit die Höhe ihrer Beträge nicht feststeht, ver- 
anschlagt werden. Denn die zweite Kammer kann nicht einseitig den 
bestehenden Rechtszustand abändern oder die Durchführung der in 
Geltung stehenden Gesetze verhindern. Die Feststellung des Jahres- 
etats ist sachlich ein Verwaltungsgeschäft, welches nach Maßgabe des