264 sS 69. Die Gesetzgebung in Elsaß-Lothringen.
elsaß-lothringischen Landesgesetze, gleichviel in welcher Form sie er-
lassen werden, Anwendung findet. Daher kann auch das Verfassungs-
gesetz selbst nicht durch eine Notverordnung abgeändert werden.
Die Notverordnungen haben aber nur provisorisch Gesetzeskraft;
sie sind dem Landtag bei seinem nächsten Zusammentreten zur Ge-
nehmigung vorzulegen und treten außer Kraft, sobald der Landtag
die Genehmigung versagt ($S 23 Abs. 2). Hiernach sind 3 Fälle zu
unterscheiden.
Wenn der Landtag die Genehmigung versagt, so treten sie ipso
jure außer Kraft, ohne daß es einer Aufhebung oder Zurücknahme
durch eine Kaiserliche Verordnung bedarf. Da aber die Notstands-
verordnungen im Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen verkündet werden
müssen, wie alle Akte der Landesgesetzgebung, so erscheint es ange-
messen, daß im Gesetzblatt auch bekannt gemacht wird, daß die Ver-
ordnung außer Kraft getreten ist.
Wenn der Landtag die Genehmigung erteilt, so verwandelt sich
die provisorische Gesetzeskraft in eine definitive. Eine neue Verkündi-
gung im Gesetzblatt ist nicht erforderlich; angemessen ist es aber, daß
im Gesetzblatt bekannt gemacht wird, daß die Verordnung die Ge-
nehmigung des Landtags erhalten hat. Denn die Verordnung kann
nunmehr nur im Wege der Landesgesetzgebung aufgehoben werden,
wenn sie nicht einen Endtermin ihrer Geltung bestimmt oder sich ein
solcher aus ihrem Inhalt ergibt.
So lange endlich die Notverordnung von einer oder beiden Kanı-
mern nicht zum Gegenstande einer Beschlußfassung gemacht worden
ist oder wenn eine Kammer die Genehmigung erteilt, die andere versagt,
so dauert die provisorische Gesetzeskraft der Notstandsverord-
nung fort. Denn in diesen Fällen hat »der Landtag« die Genehmigung
nicht versagt. Die Verordnung kann dann durch Kaiserliche Verord-
nung wieder aufgehoben werden.
Von der Versagung oder Erteilung der Genehmigung ist zu unter-
scheiden der Fall, daß der Landtag oder eine der beiden Kammern
erklärt, daß die Voraussetzungen für den Erlaß der Verordnung nicht
gegeben waren, sie trotzdem aber genehmigt wird; oder daß die Ver-
ordnung so, wie sie lautet, nicht genehmigt wird, aber anerkannt wird,
daß ihr Erlaß tatsächlich gerechtfertigt war. Diese Beschlüsse haben
nur den Charakter einer tadelnden oder billigenden Kritik des Ver-
haltens der Regierung, welche für den Erlaß der provisorischen Ver-
ordnung die (parlamentarische) Verantwortung trägt; das Außerkraft-
treten oder die Fortgeltung der Verordnung wird dadurch nicht berührt.
IV. Eine allgemeine verfassungsmäßige Befugnis des Kaisers oder
des Statthalters zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Aus-
führung von Reichs- oder Landesgesetzen besteht nicht; sie erfordert
eine besondere gesetzliche Ermächtigung'. Dagegen können
1) Auch das besondere Verordnungsrecht des Kaisers, welches durch das Gesetz