268 8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete.
zu beschützen; sie gewähren ihnen das Recht zum Aufenthalt, Grund-
erwerb, Gewerbebetrieb; sie versprechen die Aufrechterhaltung des
Landfriedens und sie erkennen die Gerichtsgewalt des Kaisers
über alle zivilen und kriminellen Streitsachen zwischen weißen Leuten
untereinander an.
b) Der Kaiser erkennt an das Recht der Häuptlinge zur Er-
hebung der ihnen nach den Gesetzen und Gebräuchen ihrer Länder
zustehenden Einnahmen, auch zur Forterhebung der bisher üblichen
Steuern und Abgaben von Reichsangehörigen, und zur Ausübung der
Gerichtsbarkeit über ihre Untertanen. Die Art und Weise, wie Streitig-
keiten zwischen Weißen und den Eingeborenen abgeurteilt und die
Schuldigen bestraft werden sollen, ist durch spätere Uebereinkunft
festzusetzen; bis dahin ist für das wichtigste dieser Gebiete, das des
Kapitän Fredericks, vereinbart worden, daß derartige Rechtsfälle von
einem Vertreter des Kaisers in Gemeinschaft mit einem Mitgliede des
Rates von Bethanien entschieden werden. Mit ganz gleichem Inhalt
ist noch am 21. August 1890 ein Schutzvertrag mit »William Christian,
unabhängigem Kapitän des Namaqua-Stammes der Bondelswarts usw.«,
abgeschlossen worden, dessen Art. 4 lautet: »Ich bin damit einver-
standen, daß bei Streitigkeiten ziviler und krimineller Art zwischen
weißen Leuten untereinander und mit Eingeborenen die Gerichtsbarkeit
von der durch Seine Majestät den deutschen Kaiser dazu eingesetzten
Behörde ausgeübt wird. Dagegen behalte ich mir die Ge-
richtsbarkeit in allen anderen Fällen vor. Von den
weißen Leuten erwarte ich, daß sie die Gesetze, Sitten und Gebräuche
meines Landes achten, auch diejenigen Abgaben entrichten, welche
bis dahin üblich waren oder durch Vereinbarung zwischen der deut-
schen Regierung und mir zu meinen Gunsten sollten festgesetzt werden‘).
Die von England und der Kapkolonie anfangs erhobenen Schwierig-
keiten wurden im diplomatischen Wege erledigt?) und die Uebernahme
des Schutzes ist gemäß dem im Berliner Vertrage vom 25. Februar
1885, Art. 34 festgesetzten Grundsatz den Mächten notifiziert worden).
Mit der englischen Regierung wurde vereinbart, daß die Grenze der
beiderseitigen Interessensphären durch den 20. Grad östlicher Länge
(Greenwich) gebildet werde, und die englische Regierung hat sich ver-
pflichtet, ihren Einfluß nach Westen hin nicht über diese Linie aus-
zudehnen und einer Entwicklung des deutschen Protektorates bis zu
diesem Längengrade nicht entgegen zu wirken‘). Die nähere Fest-
setzung der Grenze erfolgte durch einen Vertrag vom 1. Juli 1890.
Mit Portugal ist durch Vertrag vom 30. Dezember 1886 die Grenzlinie
der beiderseitigen Besitzungen in Südwestafrika festgestellt worden °).
1) Deutsches Kolonialblatt 1891, S. 78.
2) Der gesamte Notenwechsel ist im Weißbuch I mitgeteilt.
3) Weißbuch I, Nr. 14, S. 66. 4) DenkschriftS.9.
5) Deutsche Kolonialzeitung IV (1887), S. 505.