278 8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete.
eignisse außerhalb des britischen Territoriums!). In der Note vom
6. Oktober 1884 wurde seitens des Auswärtigen Amtes der englischen
Regierung erklärt, »daß das in Südwestafrika verkündete Protektorat
nicht lediglich auf die Person der daselbst wohnhaften oder sich
aufhaltenden deutschen Reichsangehörigen, sondern auf das Gebiet
als solches sich erstreckt, mithin einen territorialen Charakter
hat« ?). Bei der Errichtung sämtlicher Protektorate hat dies unzweifel-
haften Ausdruck gefunden; die Schutzgewalt ist über die Häupt-
linge, deren Untertanen und Gebiete übernommen worden;
die Schutzgebiete sind vom Reich durch den im Völkerrecht üblichen
symbolischen Akt des Flaggenhissens usw. okkupiert worden und die
Besitznahme ist den Mächten notifiziert worden ?).
2. Das Schutzverhältnis (Protektorat) kann entweder einen völker-
rechtlichen .odereinen staatsrechtlichen Charakter haben.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, mag hierbei bemerkt werden, daß
ein staatsrechtliches Schutzverhältnis selbstverständlich auch dritten
Nationen gegenüber rechtliche (also völkerrechtliche) Wirkungen hat;
es handelt sich bei der hier aufgeworfenen Frage aber nicht um das
Verhältnis zu dritten Nationen, sondern um die Rechtsbeziehungen
zwischen dem Reich und den Schutzgebieten. So verschiedenartige
Formen das Protektionsverhältnis auch annehmen kann, und so zahl-
reiche Einteilungen nach der politischen Bedeutung denkbar sind:
nach der juristischen Natur zerfallen alle diese Verhältnisse in zwei,
begrifflich einander entgegengesetzte Klassen. Entweder ist es ein
Verhältnis unter rechtlich von einander unabhängigen Subjekten,
die gegenseitig zu gewissen Leistungen, Handlungen und Ünterlas-
sungen verpflichtet sind, ein vinculum iuris nach dem Typus der
Forderungsrechte, dessen Wirkungen und Geltendmachung nach den
Grundsätzen des Völkerrechts sich bestimmen *); oder es ist ein Ver-
hältnis rechtlicher Unterordnung, eine Macht des Einen, dem Anderen
zu befehlen und zu verbieten, eine Herrschaft, ein vinculum iuris
nach dem Typus der potestas und des mundium’). Die Entstehung
1) Weißbuch LS. 71:
2) Weißbuch], S. 128.
3) Der territoriale Charakter der Schutzgewalt ist auch unbestritten.
v.Stengel, Annalen 1889, S.49; Bornhak S.8; Jo&lS.201; Kommissions-
bericht S. 992; HeimburgerS. 86; Meyer S. 88fg.; Adam S. 285.
4) Von einem Schutzbündnis (Alliance) unterscheidet sich ein solches Protektorat
dadurch, daß die Schutzmacht im Verhältnis nach außen den in Schutz genommenen
Staat vertritt und dem entsprechend in allen von dem Schutzverhältnis betroffenen
Angelegenheiten die Leitung und Führung hat, die „Vormacht“ ist, während bei
Schutzbündnissen die beteiligten Staaten sich prinzipiell als gleichberechtigt
anerkennen.
5) Wenn man, wie v. Stengel, Heilborn, Adam und andere Schriftsteller,
in die Definition des Protektorats das begriffliche Moment aufnimmt, daß es ein
völkerrechtliches Verhältnis zwischen zwei Staaten sei, so kommt man selbst-
verständlich zu dem Schluß, daß ein staatsrechtliches Protektorat eine contradictio