Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

284 8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 
Häuptlinge durch den Aufstand von 1903—1905 ihre Rechte verwirkt 
und die Verhältnisse haben sich dort in einer solchen Weise verän- 
dert, daß die Schutzgewalt zu einer intensiven und unbeschränkten 
Beherrschung gestaltet werden mußte. 
d) Noch deutlicher ausgeprägt ist dieses Verhältnis in dem Schutz- 
gebiet der Samoainseln. Samoa war nicht nur ein unabhängiges 
Gemeinwesen mit staatlicher Organisation, sondern es war als unab- 
hängiger Staat in die »Völkerrechtsgemeinschaft« der zivilisierten Staa- 
ten aufgenommen; das Deutsche Reich hat mit ihm am 24. Januar 
1879 einen »Freundschaftsvertrag« abgeschlossen !). Die Samoaakte vom 
14. Juni 1889 erkennt im Art. I ausdrücklich an die »Neutralität und 
Unabhängigkeit von Samoa« sowie das Recht der Eingeborenen, ihren 
Häuptling oder König zu wählen und ihre Regierungsform in Gemäß- 
heit ihrer eigenen Gesetze und Gewohnheiten zu bestimmen, und 
Art. 1I erklärt die Zustimmung der Regierung von Samoa zu den Be- 
stimmungen der Generalakte für erforderlich. Dieselbe sollte durch 
eine vom König von Samoa auszufertigende Urkunde erfolgen (Art. VIII, 
Abschn. 2, Abs. 5) und ist in der Tat in dieser Form am 19. April 
1890 durch den König Malietoa erfolgt. Die Ernennung der samoa- 
nischen Beamten sollte durch die samoanische Regierung erfolgen, 
auch die des Oberrichters und des Vorsitzenden von Apia (Art. III, 
Abs. 2 und Art. V, Abs. 2) und der Regierung von Samoa war das 
Recht zur Erhebung von Zöllen und Abgaben (Art. VI, Abschn. 2) 
und von direkten Steuern (Art. VI, Abschn. 3) gewahrt worden. Wenn- 
gleich nun durch den Deutsch-Englisch-Amerikanischen Vertrag vom 
2. Dezember 1899, Art. I sowohl die Samoaakte vom 14. Juli 1889 und 
alle dieser Akte vorausgegangenen Verträge, Abkommen und Verein- 
barungen aufgehoben worden sind, so bezieht sich dies doch nur auf 
das Verhältnis der drei vertragschließenden Mächte zu einander, welche 
ihre völkerrechtliche Gemeinschaft aufhoben und sich aus einander 
setzten. Dagegen sind durch diese Vereinbarung die innerstaatlichen 
Einrichtungen Samoas, soweit sie nicht durch die in der Generalakte 
den Mächten eingeräumten Befugnisse bestimmt waren, nicht beseitigt, 
ja zunächst nicht verändert worden und die einheimische Staatsge- 
gewalt über die Eingeborenen ist in dem Teil des Staates von Samoa, 
der deutsches Schutzgebiet geworden ist, nicht unterdrückt worden. 
Dem Deutschen Reich steht in dem Samoaschutzgebiet daher zwar 
die Souveränität zu, sowohl in völkerrechtlicher wie staatsrecht- 
licher Beziehung; inhaltlich aber ist die Schutzgewalt eine Oberstaats- 
gewalt, welche eine einheimische Herrschaft, deren Träger ein von der 
Bevölkerung gewählter Häuptling oder König ist, als eine ihr unter- 
geordnete, hat fortbestehen lassen. Diese Rechte über die einheimi- 
sche Bevölkerung sind formell nicht aufgehoben worden, tatsächlich 
1) Reichsgesetzbl. 1881, S. 29.
	        
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