Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

286 S 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 
weisungen und Aufenthaltsbeschränkungen usw., und andererseits zur 
Sicherung der Handels- und Durchgangsfreiheit '). 
2. Dagegen sind die Schutzgebiete dem Reich nicht inkorporiert; 
sie gehören nicht zu demjenigen Teil der Erdoberfläche, welcher das 
räumliche Substrat der Staatspersönlichkeit des Reiches bildet; sie sind 
nicht Bestandteile, sondern Pertinenzen des Reichsgebiets. Wenn 
man unter »Ausland« diejenigen Gebiete versteht, welche einer fremden 
Staatsgewalt unterworfen oder staatslos sind, so ist es selbstverständlich, 
daß die Schutzgebiete kein Ausland sind; denn sie sind der Staats- 
gewalt des Reichs unterworfen. In der gesamten neueren Literatur 
des Kolonialrechts wird daher Verwahrung eingelegt gegen die in 
älteren Schriften nicht selten vorkommende Annahme, daß die Schutz- 
gebiete im staatsrechtlichen Sinne Ausland seien?) Allein daraus folgt 
weiter nichts, als was bereits in die Begriffsbestimmung des Wortes 
Ausland hineingelegt ist. Von praktischer Bedeutung ist vielmehr die 
Frage, ob aus der Inlandsqualität der Schutzgebiete zu schließen ist, 
daß sie zu dem Geltungsbereich der Reichsgesetze gehören. Dies wird 
ebenso einmütig verneint; die Uebertragung von deutschem Reichsrecht 
auf alle oder einzelne Schutzgebiete bedarf eines besonderen gesetz- 
geberischen Aktes. Es folgt dies daraus, daß die Reichsgesetze ihre 
Kraft aus der Reichsverfassung ableiten, diese aber in den Schutz- 
gebieten nicht eingeführt ist. Die Schutzgebiete sind ein von dem 
durch die Reichsverfassung begrenzten Gebiet abgesondertes, getrenntes 
(rebiet?). Tatsächlich sind auch alle Reichsgesetze, welche in den 
Schutzgebieten Geltung haben, dort besonders und ausdrücklich ein- 
geführt worden. Aber auch durch die Einführung von Reichsgesetzen 
in den Schutzgebieten entsteht kein einheitliches Rechtsgebiet), sondern 
es wird nur für mehrere Rechtsgebiete ein übereinstimmendes, materiell 
gleiches Recht geschaffen, wie zur Zeit des deutschen Bundes durch 
das Handelsgesetzbuch und die Wechselordnung. Die mehreren Rechts- 
gebiete bleiben trotz der Gleichheit des Rechts im Verhältnis zu ein- 
ander Ausland und in jedem dieser Gebiete kann die Gleichheit durch 
besondere Bestimmungen Einschränkungen erfahren, wofür die Kolo- 
nialgesetzgebung sehr zahlreiche Beispiele liefert. Die Schutzgebiete 
bleiben daher auch hinsichtlich dieser Materien im Verhältnis zum 
Reichsgebiet und zu einander prinzipiell Ausland. Dies wird durch 
das Schutzgebietsgesetz 8 9 Abs. 3 und die Seemannsordnung 8 6 
bestätigt, welche anordnen, daß die Schutzgebiete in ganz bestimmten, 
konkreten Beziehungen als Inland gelten. Also sie sind nicht 
Inland, sondern sie sollen nur in diesen speziellen Fällen so angesehen 
1) Vgl. Berliner Vertrag v. 26. Februar 1885 (RGBl. S. 244). 
2) EineUebersicht über diein Betracht kommende Literatur gibt Sabersky S.12ff. 
3) Sehr richtig sind die Ausführungen darüber von Zorn, D. Staatsr. I, S. 578 ff., 
welchem sich viele Schriftsteller anschließen. 
4) Vgl. z. B. Köbner S. 109.
	        
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