Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

288 8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 
Konsulargerichtsbezirken. Der Konsularschutz wird in einem fremden 
Staat ausgeübt und bezieht sich nur auf gewisse Personen; in den Schutz- 
gebieten dagegen ist der Schutz der Angehörigen eines zur Völkerrechts- 
gemeinschaft gehörenden Staates Ausübung der Staatsgewalt des Reichs 
und kommt allen Personen zu, welche sich in diesen Gebieten aufhalten. 
Das Schutzgebietsgesetz $ 9 Abs. 2 bestimmt, daß auf die Natura- 
lisation und das durch dieselbe begründete Verhältnis der Reichs- 
angehörigkeit die Bestimmungen des Gesetzes über die Erwerbung 
und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, 
sowie Art. 3 der Reichsverfassung und 84 des Reichswahlgesetzes ent- 
sprechende Anwendung finden. Man hat die Ansicht aufgestellt, daß 
durch diese Anordnung Art. 3 der Reichsverfassung in den Schutz- 
gebieten eingeführt und die Reichsverfassung durch Erweiterung 
des Geltungsbereichs des Art. 3 abgeändert worden sei!). Dies ist ein 
Irrtum; 8 9 cit. ist nichts als eine Ergänzung des 8 8 des Gesetzes 
vom 1. Juni 1870 und würde in diesem Gesetz seinen richtigen Platz 
haben; er gibt nur besondere Regeln für die Naturalisation von Aus- 
ländern und Eingeborenen, welche im Schutzgebiet wohnen. Art. 3 
der Reichsverfassung verleiht den Reichsangehörigen überhaupt keine 
bestimmten Rechte, sondern bestimmt nur, daß alle Reichsangehörigen 
in allen Bundesstaaten des Reichs wie die eigenen Staatsange- 
hörigen behandelt werden sollen; siehe Bd. I 820. Dies gilt auch von 
den auf Grund des $ 9 naturalisierten Reichsangehörigen; dagegen 
bestimmt 8 9 nicht, daß die Schutzgebiete den Gebieten der Bundes- 
staaten gleichgestellt werden. Die in den Schutzgebieten wohnenden 
Reichsangehörigen haben keine anderen Rechte als die Reichsange- 
hörigen, welche im Auslande wohnen’). Art. 3 der Reichsverfas- 
sung gilt nur im Reichsgebiet und das gleiche gilt von dem 
Freizügigkeitsgesetz, dem Gesetz über den Unterstützungswohnsitz und 
den anderen zur Ausführung des Art. 3 der Reichsverfassung erlassenen 
Gesetzen®. Daher können z. B. Reichsangehörige aus dem Schutz- 
gebiet, aber wenn sie sich nach Deutschland begeben, nicht aus dem 
Reichsgebiet ausgewiesen werden ®). 
Außer durch Naturalisation kann die Reichsangehörigkeit auch 
erworben werden durch Anstellung im Reichsdienst in einem 
l) Giese a. a. 0.8.4211 ff. Auch Sabersky S. 22. 
2) Mit Recht sagt daher Hauschild 8.35: „Die ausdrückliche Aufführung von 
& 4 des Wahlgesetzes (Wählbarkeit) war ein superfluum.“ Vgl. Zorn |, S.581. Die- 
jenigen Rechte, für welche die Reichsangehörigkeit Voraussetzung ist, können regel- 
mäßig nur im Reichsgebiet ausgeübt werden; jedoch haben die in den Schutzgebieten 
wohnenden Reichsangehörigen Anspruch auf den im Art. 3 Abs. 6 der RV. zuge- 
sicherten Schutz, denn diese Verfassungsvorschrift hat keine territoriale Geltung. 
3) Vgl. Zorn a.a. 0.;G. MeyerS. 117fg.; HauschildS. 35, 47. 
4) Vgl. darüber Fleischmann in der kolonialen Rundschau Heft 11 (1909), 
S. 645—658. S. Reimer, Die Freizügigkeit in den Schutzgebieten, bes. die Aus- 
weisung von Reichsangehörigen. Münster 1911.
	        
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