8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 301
destens zwei Hilfsbeisitzer zu ernennen. Das Bezirksgericht ist zustän-
dig in allen bürgerlichen Rechtssachen, welche vor die Landgerichte
gehören, in der Besetzung mit zwei Beisitzern; in Strafsachen, welche
vor die Strafkammern und Schwurgerichte gehören, sind in der Haupt-
verhandlung vier Beisitzer zuzuziehen !).
2. In zweiter und letzter Instanz entscheidet das Obergericht,
welches aus dem Oberrichter und vier Beisitzern besteht. Der
Oberrichter wird vom Kaiser ernannt; die Beisitzer werden vom
Öberrichter berufen. Auf sie finden im übrigen die von den Bei-
sitzern des Bezirksgerichts geltenden Regeln Anwendung. In jedem
Schutzgebiet ist ein Obergericht errichtet worden ?).. Das Obergericht
ist zuständig als Berufungs- und Beschwerdeinstanz gegen die Ent-
scheidungen der Bezirksrichter und Bezirksgerichte.
3. Für sämtliche Schutzgebiete ist ferner die Errichtung einer
Staatsanwaltschaft durch die kaiserliche Verordnung vom
13. Dezember 1897 (Reichsgesetzbl. 1898, S. 1) angeordnet worden.
Der Staatsanwalt wird von dem obersten Beamten des Schutzgebiets
aus der Zahl der Beamten desselben bestellt und unterliegt seiner
Aufsicht und Leitung).
4. Insoweit nach den in den Schutzgebieten geltenden Reichsge-
setzen und preußischen Gesetzen ein Verwaltungsstreitver-
fahren vorgeschrieben ist, wird die Entscheidung in erster und
letzter Instanz vom Bundesrat getroffen. Konsulargerichtsbar-
keitsges. 8 23. Schutzgebietsges. 8 3.
B. Die Gerichte für Farbige. In dieser Hinsicht besteht
keine Gleichmäßigkeit der Einrichtungen für alle Schutzgebiete, son-
dern im Gegenteil eine große Mannigfaltigkeit, dem Kulturstand der
Eingeborenen entsprechend.
Die Gerichtsbarkeit wurde in den einzelnen Schutzgebieten durch
Verordnungen der Gouverneure geregelt. Der Reichskanzler hat durch
Verordnung vom 22. April 1896 (Kolonialbl. S. 241) Vorschriften über
die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit und der Disziplinargewalt gegen-
über den Eingeborenen für Ostafrika, Kamerun und. Togo erteilt ‘®).
Durch die kaiserliche Verordnung vom 3. Juni 1908 (RGBl. S. 397) ist
1) Konsularger.-Ges. $ 8. Verordn. vom 9.Nov. 1900 87. Ist die Zuziehung von
Beisitzern nicht ausführbar, so entscheidet in Zivilsachen der Bezirksrichter allein;
in Strafsachen genügt die Zuziehung von zwei Beisitzern, wenn vier nicht zugezogen
werden können. Die Gründe sind im Protokoll anzugeben.
2) Für Kamerun und Togo besteht ein gemeinschaftliches Obergericht in Kame-
run; für das Inselgebiet der Karolinen, Palau und Marianen ist das Obergericht von
Neuguinea zuständig. Verordn. vom 9. Nov. 1900, 8 8, Abs. 1. Für Kiautschou ver-
trat das Konsulargericht in Schanghai das Obergericht, durch die Kaiserl. Verordn.
vom 28. Sept. 1907 (RGBl. S. 735) ist aber am 1. Januar 1908 ein Obergericht errichtet
worden.
3) Verordnung vom 9. November 1900, 8 5.
4) Der Erlaß bezweckte, der Wiederholung von Rohheiten und Grausamkeiten,
wie sie von einzelnen Beamten verübt worden sind, vorzubeugen.