94 8 58. Die Rechtsverordnungen des Reiches.
ist, rechtfertigt doch nicht den von Arndt daraus gezogenen Schluß,
daß man unter Verwaltungsvorschriften auch Rechtsvorschriften mit-
begreife. Die fernere Erwägung von Arndt (S. 47 ff.), daß der Bun-
desrat im allgemeinen an die Stelle der Generalzollkonferenz getreten
sei, die letztere aber nicht nur über Verwaltungseinrichtungen, son-
dern auch über Rechtsvorschriften Beschlüsse gefaßt habe, ist zwar
richtig; aber es ist nicht zuzugeben, daß man hieraus eine Schluß-
folgerung über das dem Bundesrat zustehende Verordnungsrecht ziehen
könne. Denn die Generalzollkonferenz hatte überhaupt keine Ver-
ordnungsgewalt weder in Verwaltungs- noch in Rechtssachen, sondern
ihre Beschlüsse hatten lediglich den Charakter völkerrechtlicher Ver-
einbarungen; inwieweit aber die Regierungen befugt waren, diese Ver-
einbarungen in ihren Gebieten im Verordnungswege einzuführen, be-
stimmte sich nach dem Landesrecht.
Arndt macht weiter (S. 53 fg.) für seine Ansicht Art. 48, Abs. 2
der Reichsverfassung geltend; der hier gebrauchte Ausdruck »regle-
mentarische Festsetzung oder administrative Anordnung« sei völlig
gleichbedeutend mit » Verwaltungsvorschrift«, das Verordnungsrecht in
Post- und Telegraphenangelegenheiten beziehe sich aber unzweifelhaft
auch auf Rechtsvorschriften. Gerade diese ausdrückliche Anordnung
des Art. 48, Abs. 2 widerlegt aber m. E. die von Arndt aufgestellte
Theorie; denn wäre die letztere richtig, so bedürfte es der Festsetzung
im Art. 48, Abs. 2 gar nicht. In der norddeutschen Bundesverfassung
hätte die Bestimmung in dem Abschnitt von der Reichsgesetzgebung
stehen und jedenfalls allgemein, ohne Beschränkung auf einen ein-
zelnen Verwaltungszweig, lauten müssen; in der Reichsverfassung wäre
sie durch Art. 7, Ziff. 2 überflüssig geworden. Daß man für das Post-
und Telegraphenwesen diese besondere Anordnung für notwendig er-
achtete, beweist nach der Regel exceptio -firmat regulam, daß im all-
gemeinen diese Ausdehnung des Verordnungsrechts nicht anerkannt
ist ”.
Für besonders ausschlaggebend erachtet Arndt (S. 55ff.) den
Art. 38, Ziff. 1 der Reichsverfassung. Hier wird bestimmt, daß vom
Ertrage der Zölle in Abzug kommen: »die auf Gesetzen oder allge-
meinen Verwaltungsvorschriften beruhenden Steuervergütungen und
Ermäßigungen«. Es ist zuzugeben, daß unter den »Verwaltungsvor-
schriften« hier Rechtsvorschriften mitzuverstehen sind; allein auch
hier trifft alles dasjenige zu, was hinsichtlich der Zoll- und Steuerge-
1) E.Mayeraa. 0.8. 139; Seligmann S. 121fg. Uebrigens ist nicht zu
übersehen, daß nach dem Postgesetz $ 50 das Reglement als Bestandteil des Ver-
trages zwischen der Postanstalt und dem Absender gilt; seine rechtsverbindliche
Kraft beruht also nicht auf dem Gesetzesbefehl, sondern auf dem Vertragswillen der
Parteien. Den Post- und Telegraphen behörden gegenüber ist das Postreglement
lediglich Verwaltungsvorschrift. Daß die Behauptungen Arndts auch mit
dem früheren preuß. Recht im vollen Widerspruch stehen, zeigt sehr gut Anschütz.
a. a. O0. S. 102ff. Siehe ferner Hubrich, Reichsgericht S. 38 ff.