Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 58. Die Rechtsverordnungen des Reiches. 95 
setze gesagt worden ist. Alle Verordnungen über Steuervergütungen 
und Ermäßigungen beruhen auf besonderen gesetzlichen Ermächti- 
gungen; sie sind aber wegen ihres untrennbaren sachlichen Zusammen- 
hanges in Verbindung mit Verwaltungsanordnungen ergangen, so daß 
sie einen Bestandteil der von den Verwaltungsorganen erlassenen »Re- 
gulative« u. s. w. bilden. Daraus erklärt es sich zur Genüge, daß 
Art. 38 sie als Verwaltungsvorschriften bezeichnet, statt den schwer- 
fälligen Ausdruck »Vorschriften, die im Verwaltungswege ergangen 
sind«, zu gebrauchen, der dem Satz nur mit Schwierigkeit hätte ein- 
gefügt werden können. 
Auch die Behauptung von Arndt, daß Verwaltungsvorschriften 
nach dem Wortsinn Vorschriften bedeute, welche von der Verwaltung, 
d. h. von Verwaltungsbehörden erlassen werden, ist unzutreffend und 
auf den Art. 7 der Reichsverfassung in keinem Falle anwendbar. Denn 
der Bundesrat hat nur ganz bestimmte und verhältnismäßig wenige 
Verwaltungsbefugnisse; die Verwaltungsbehörden des Reichs sind der 
Reichskanzler und die ihm unterstellten Reichsämter. Die vom Bun- 
desrat beschlossenen Verwaltungsvorschriften sind daher nicht Vor- 
schriften »der Verwaltung«, sondern für die Verwaltung. Es wird 
dies auch durch den Zusatz »allgemeine« Verwaltungsvorschriften und 
»Einrichtungen« bestätigt. Denn es gibt zwar allgemeine Vorschriften 
für eine Verwaltung, aber keine von einer »allgemeinen Verwaltung«, 
erlassenen Vorschriften '). 
Ich kann also den Beweis nicht für geführt erachten, daß die 
Reichsverfassung unter Verwaltungsvorschriften etwas anderes ver- 
steht, als der Ausdruck sagt. Es hätte doch wahrlich nahe gelegen, 
im Art. 7, Ziff. 2 zu sagen »Vorschriften«, wenn man die Kompetenz 
des Bundesrates auf andere als Verwaltungsvorschriften hätte aus- 
dehnen wollen. 
Der dritte Grund endlich, welchen Arndt für seine Ansicht an- 
führt, besteht in der Behauptung, daß zahlreiche, auf Grund der Reichs- 
verfassung ergangene Verordnungen Rechtsvorschriften enthalten, daß 
also die Praxis die von ihm verteidigte Theorie bestätige. Auf diese 
sehr umfangreichen Erörterungen (S. 85—169) kann hier im einzelnen 
nicht eingegangen werden, da dies nur in einer monographischen Be- 
1) Das Konsulargerichtsbarkeitsgesetz vom 7. April 1900 $ 23 dient als ein Bei- 
spiel von vielen für den Sprachgebrauch der Reichsgesetze. Hier werden die „von 
der Verwaltung“ erlassenen Vorschriften nicht als „Verwaltungsvorschriften“ bezeich- 
net, sondern sehr umständlich als „Anordnungen einer Landeszentralbehörde, einer 
höheren Verwaltungsbehörde, des Reichskanzlers, einer von diesem bezeichneten 
Behörde“. Ein Reichsgesetz, in welchem das Wort „Verwaltungsvorschrift“ in dem 
von Arndt behaupteten Sinne gebraucht wird, gibt es nicht. Daraus kann man aber 
nicht mit Dambitsch schließen, daß man unter diesem Wort in Art. 7 der RV. 
auch solche Anordnungen verstehen darf, welche den Gegensatz von Verwaltungs- 
vorschriften bilden.
	        
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