Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 76. Das Münzwesen. 189 
untersagt, wofern ihnen nicht durch ein Reichsgesetz die Erlaubnis 
dazu erteilt wird). 
Wirkliches Papiergeld im juristischen Sinne gibt es inı Deutschen 
Reiche seit dem 1. Januar 1876 nicht mehr und kann von den Einzel- 
staaten nicht mehr ausgegeben werden °). 
Die Motive des Gesetzes, die Verhandlungen des Reichstages, das 
gesamte Auslegungsmaterial und die tatsächlich ausnahmslos und über- 
einstimmend befolgte Praxis weisen aber darauf hin, daß das Gesetz 
in dem Sinne zu verstehen sei, daß die Einzelstaaten auch Geld- 
surrogate, denen die Eigenschaft des Geldes rechtlich fehlt, nicht 
ferner verausgaben dürfen, resp. sie einlösen müssen °). 
Das Verbot der Papiergeldausgabe ohne Erlaubnis des Reiches 
hat seine juristische Analogie in dem Verbot der Banknotenausgabe. 
Die Befugnis, Inhaberpapiere, welche ihrer äußeren Beschaffen- 
heit nach wie Geld zirkulieren können (Geldpapiere), zu emit- 
tieren, kann nur durch ein vom Reich im Wege der Gesetzgebung er- 
teiltes Privilegium erworben werden; und dieser Satz ist ganz unab- 
hängig davon, ob die emittierten Inhaberpapiere durch einen Rechts- 
satz zum allgemeinen Zahlungsmittel (Papiergeld) erklärt sind, oder 
ihnen die Geldeigenschaft mangelt *). Dieser Rechtssatz ist durch $ 795 
des Bürgerlichen Gesetzbuches unberührt geblieben. 
3. Das Reich selbst hat Reichskassenscheine ausgegeben, 
welche im juristischen Sinne kein Papiergeld, sondern auf den Inhaber 
lautende Schuldscheine des Reiches sind. Dieser rechtliche Charakter 
derselben ergibt sich aus zwei Sätzen: 
a) Im Privatverkehr findet ein Zwang zu ihrer Annahme nicht 
statt?).. Es fehlt ihnen also die Geldqualität; sie sind kein gesetzliches 
Zahlungsmittel. 
b) Bei den Kassen des Reiches und sämtlicher Bundesstaaten wer- 
den sie nicht bloß nach ihrem Nennwerte in Zahlung angenommen, 
1) Zuerst erfolgte das Verbot vorläufig durch das Gesetz vom 16. Juni 1870 
(Bundesgesetzbl. S. 507); dann wurde den Bundesstaaten die Verpflichtung zur Auf- 
rufung und Einlösung des von ihnen ausgegebenen Papiergeldes auferlegt im Münz- 
gesetz Art. 18, Abs. 3; endlich erfolgte die definitive Ordnung durch das Reichsgesetz 
vom 30. April 1874 82 und 8 8. 
2) Soweit solches Papiergeld zirkulierte, verlor es mit dem 1. Januar 1876 die 
rechtliche Eigenschaft eines gesetzlich anerkannten Zahlungsmittels. 
3) Dies ergibt sich namentlich aus der den Motiven beigefügten „Nachweisung 
der Papiergeldemissionen des Deutschen Reiches“. Alle hier aufgeführten Papiere 
sollen von den deutschen Staaten eingezogen werden und sind auch von ihnen ein- 
gezogen worden, obwohl der größte Teil derselben von Privatpersonen in Zahlung 
nicht genommen zu werden brauchte, also kein wirkliches Papiergeld war. 
4) Man kann dies auch so ausdrücken: Die deutschen Einzelstaaten können 
kein Papiergeld ausgeben (denn sie sind außerstande, ihren Zetteln die Eigen- 
schaft eines allgemeinen Zahlungsmittels beizulegen) und sie dürfen keine Geld- 
papiere ausgeben (denn es ist ihnen dies vom Reich gesetzlich verboten). 
5) Gesetz vom 30. April 1874, 8 5, Abs. 2 (Reichsgesetzbl. S. 40).
	        
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