26 8 72. Die Konsulate.
sie über Tatsachen oder Rechtsgeschäfte, welche im Auslande stattge-
funden haben, den Angehörigen des Reiches Beweismittel verschaffen
oder sichern, welche vor den inländischen Behörden Beweiskraft haben.
Mit der Beseitigung oder Einschränkung der formellen Beweistheorie
im Prozeß hat diese Funktion ihre Wichtigkeit keineswegs verloren,
denn teils ist in der Zivilprozeßordn. $ 415 der Satz, daß öffentliche
Urkunden vollen Beweis erbringen, ausdrücklich beibehalten wor-
den, teils ist bei allen Urkunden, gleichviel eine ‚wie große Beweis-
kraft ihnen zukommt, die Bescheinigung ihrer Echtheit von Belang;
teils endlich haben Urkunden nicht bloß die Bedeutung von Beweis-
mitteln, sondern sie können eine wesentliche Form für die Rechts-
gültigkeit eines Rechtsgeschäftes, eine rechtlich erforderte Voraussetzung
seiner Wirksamkeit oder Klagbarkeit sein. Demgemäß ist den Kon-
suln als Urkundspersonen in drei verschiedenen Richtungen eine Tätig-
keit zugewiesen:
@«) Sie können Öffentliche Urkunden ausstellen. Als
solche gelten alle schriftlichen Zeugnisse der Konsuln über ihre eigenen
amtlichen Handlungen und über die Ausübung ihres Amtes wahrge-
nommenen Tatsachen, welche sie unter ihrem Siegel und unter ihrer
Unterschrift erteilen ?).
B) Sie können Urkunden legalisieren, welche in ihrem
Amtsbezirke ausgestellt oder beglaubigt sind). Die Legalisation be-
kundet zweierlei, nämlich daß die Person, welche die Urkunde aus-
gestellt hat, zur Zeit der Ausstellung diejenige Eigenschaft hatte, welche
sie sich in der Urkunde beilegt, z. B. als Notar, Richter usw., und ferner
daß ihre Unterschrift nach der Ueberzeugung des Konsuls echt ist?°).
y) Sie können Notariatsurkunden aufnehmen in Ansehung
aller Rechtsgeschäfte, welche Angehörige des Reiches errichten oder
1) Konsulatsgesetz 8 15. Vgl. Zivilprozeßordnung 8415 ff. — Ueber die von den
Konsuln auszustellenden Ursprungszeugnisse der aus meistbegünstigten Staa-
ten nach Deutschland zu importierenden Waren vgl. v. König S. 269; über Gesund-
heitspässe für Seeschiffe das. S. 271; über die Ausstellung von Leichenpässen sind
die Anordnungen erlassen in der Verordn. des Bundesrats v. 18. Januar 1906, abge-
druckt bei v. König S. 277.
2) Konsulatsgesetz $ 14. Reichsgesetz vom 1. Mai 1878, 8 2 (Reichsgesetzbl.
S. 89). Zivilprozeßordnung $ 438. Diese Befugnis haben auch die Gesandten des
Reiches, aber nicht die Gesandten der deutschen Einzelstaaten. Ueber das Verfahren
siehe v. König 8. 261 fg.
3) Die Legalisation bezieht sich demnach nur auf Urkunden, welche von aus-
ländischen Behörden oder von Personen, die mit öffentlichem Glauben ausgestattet
sind, amtlich ausgestellt worden sind. Zivilprozeßordnung $ 438, Abs. 1. — Von eigent-
lichen Notariatsakten sind die Legalisationen zu unterscheiden. Vgl. die Instruk-
tion zu & 14 des Konsulatsgesetzes. Mit Desterreich-Ungarn ist ein beson-
derer Vertrag vom 25. Februar 1880 (Reichsgesetzbl. 1881, S.4) abgeschlossen worden,
kraft dessen die Urkunden der Gerichte sowie der obersten und höheren Verwaltungs-
behörden einer Beglaubigung nicht bedürfen. Der Vertrag ist ausgedehnt auf Bosnien
und die Herzegowina durch Vertrag vom 13. Juni 1881 (Reichsgesetzbl. S. 253).