Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

502 8 92. Die Zeugenpflicht. 
hierauf die Worte spricht: »Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe«''). 
Aus dem Inhalt des Eides folgt, daß alle Gründe, welche einen Zeugen 
zur Verweigerung der Aussage berechtigen, ihn auch von der Eides- 
leistung befreien. In der Regel ist jeder Zeuge zu beeidigen?); es 
gibt aber eine Anzahl von Fällen, in denen die Beeidigung von Zeugen, 
welche eine Aussage machen, unterbleiben muß oder unterbleiben 
kann). Auch im Verfahren der Militärstrafgerichte sind die Zeugen 
nach ihrer Vernehmung zu beeidigen *). Dagegen wird im bürgerlichen 
Strafprozeß der Zeugeneid noch vor der Vernehmung geleistet). 
Die unberechtigte Weigerung der Leistung des Zeugeneides hat 
ganz dieselben Rechtsfolgen wie die unberechtigte Verweigerung der 
Aussage, nämlich Verurteilung zu den durch die Eidesverweigerung 
verursachten Kosten, Geldstrafe bis zu 300 Mark, an deren Stelle im 
Unvermögensfall Haft bis zu sechs Wochen tritt, und nach Ermessen 
des Gerichts Haft zur Erzwingung der Eidesleistung °). 
VI. Die Zeugengebühren. Die Zeugenpflicht ist nicht un- 
entgeltlich zu erfüllen. Jeder Zeuge ohne Unterschied des Berufes, 
Alters oder Geschlechts erhält auf seinen Antrag eine Entschädi- 
gung für Zeitversäumnis, wofern mit der letzteren nach der Lebens- 
stellung des Zeugen eine Beeinträchtigung seines Erwerbes verbunden 
ist”). Dieser Anspruch ist öffentlich-rechtlicher Natur wie der Anspruch 
des Soldaten auf Löhnung und der Anspruch des Beamten auf Gehalt?) 
Wenn das Erscheinen des Zeugen eine Reise erforderlich macht, so 
hat er außerdem Anspruch auf Erstattung der Kosten, welche durch 
die Reise und den Aufenthalt am Orte der Vernehmung verursacht 
werden). Dieser Anspruch richtet sich gegen die Staatskasse, wenn 
die Ladung des Zeugen von dem Richter oder der Staatsanwaltschaft 
erfolgt ist. In Zivilprozessen kann das Gericht die Ladung davon 
abhängig machen, daß der Beweisführer einen Vorschuß zur Deckung 
der Staatskasse wegen der durch die Vernehmung des Zeugen erwach- 
senden Auslagen hinterlegt'°). In Strafprozessen kann der Angeklagte 
1) Zivilprozeßordnung $ 481 (Nov. v. 1909). Modifikationen $$ 482—484. 
2) Daselbst S 391 (Nov. v. 1909). Die Parteien können auf die Beeidigung ver- 
zichten. 
3) Daselbst $ 393. Strafprozeßordnung $ 56. Militärstrafgerichtsordnung $ 199. 
4) Militärstrafgerichtsordnung $ 196. 
5) Strafprozeßordnung $ 60. Die Vereidigung kann jedoch aus besonderen 
Gründen bis nach Abschluß der Vernehmung ausgesetzt werden. 
6) Zivilprozeßordnung 8 390. Strafprozeßordnung $ 69. Militärstrafgerichts- 
ordnung $ 203. 
7) Gebührenordnung $$ 2, 5. (Reichsgesetzbl. 1898, S. 689, 690.) Der Anspruch 
erlischt, wenn der Antrag nicht binnen 3 Monaten bei dem zuständigen Gericht an- 
gestellt wird. Gebührenordnung $ 16. 8) Wach, Zivilprozeß I, S. 95. 
9) Zivilprozeßordnung 8 401. Strafprozeßordnung $ 70. Militärstrafgerichtsord- 
nung 3 205. Verordnung vom 6. Nov. 1909 (Reichsgesetzbl. S. 958). Verordnung über 
die Errichtung des Patentamts vom 18. Juni 1877, $ 12 (Reichsgesetzbl. S. 536). Ge- 
bührenordnung $$ 6 ft. 10) Zivilprozeßordnung $ 379.
	        
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