Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

& 96. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Heereseinrichtungen. 31 
zahlreicher Staaten selbst durch einseitige Kündigung’) aufgehoben 
werden können. Sollte von diesem Vorbehalte Gebrauch gemacht 
werden, so würde ipso iure der betreffende Staat die Ausübung der 
ihm verfassungsmäßig zustehenden Hoheitsrechte in Militärsachen 
wiedererlangen °). 
5. Auf die Konventionen mit Sachsen, Württemberg und Bayern 
beziehen sich die vorstehenden Ausführungen nicht; jede derselben 
hat vielmehr einen eigentümlichen juristischen Charakter. 
a) Die Konvention mit dem Königreich Sachsen ist am 
7. Februar 1867 abgeschlossen worden, also vor Einführung der 
Verfassung des Norddeutschen Bundes. Im Eingange der Ueberein- 
kunft wird bemerkt, daß dieselbe geschlossen werde, »um die Bestim- 
mungen der Verfassung des Norddeutschen Bundes über das Bundes- 
kriegswesen den besonderen Verhältnissen des Königreichs Sachsen 
anzupassen«, und sie wird bezeichnet als eine »auf der Grundlage 
des Friedensvertrages vom 21. Oktober 1866 getroffene besondere Ver- 
abredung, welche unabhängig von allen ferneren darauf bezüglichen 
Verhandlungen in Kraft treten und bleiben soll«.. Bei Abfassung 
dieser Konvention hatten die Kontrahenten daher offenbar den überein- 
stimmenden Willen, einerseits, daß dieselbe auch in dem Falle Geltung 
haben solle, wenn die in Aussicht genommene Vereinbarung einer 
Bundesverfassung nicht gelingen sollte, andererseits, daB sie für 
Sachsen unverändert in Kraft bleiben solle, wenngleich etwa die 
Bundesverfassung Bestimmungen über das Kriegswesen enthalten sollte, 
welche mit ihr in Widerspruch stehen. Eine ausdrückliche Bestäti- 
gung hat dies in einem Nachtragsprotokoll vom 8. Februar 1867 er- 
halten, in welchem vereinbart wurde, daß die von der Konferenz 
der Bevollmächtigten vom 7. Februar 1867 in Art. 61 des Verfassungs- 
entwurfs eingeschobenen Worte »oder ohne« (Reichsverfassung Art. 64, 
Abs. 3) »als über die Absicht der Konvention zwischen Preußen und 
Sachsen hinausgehend, auf das Verhältnis zum Königreich Sachsen 
keine Anwendung finden«. Hervorzuheben ist ferner, daB diese Kon- 
1) Das einseitige Kündigungsrecht jedes der beiden Kontrahenten ist aus- 
bedungen in den Militärkonventionen mit den thüringischen Staaten Art. 16; 
Anhalt Art. 16; Schwarzburg-Sondershausen Art. 14; Lippe-Det- 
mold Art. 14; Schaumburg-Lippe Art. 13; Waldeck Art. 12; Braun- 
schweig Art. 11. 
2) Ob die Aufhebung der Konventionen durch beiderseitiges Einverständnis oder 
einseitige Kündigung noch rechtlich möglich ist, unterliegt aber erheblichen Beden- 
ken. Denn die Zusammenfassung der betreffenden Truppen mit den preußischen zu 
einem einheitlichen Kontingent liegt den Etatsgesetzen des Reichs und anderen 
Reichsgesetzen zugrunde und ist dadu rch zu einer reichsgesetzlichen In- 
stitution geworden, zu deren Abänderung die Einzelstaaten nicht mehr befugt sind. 
Die Bildung eines oder mehrerer neuer Kontingente würde eine reichsgesetzliche 
Anordnung erfordern, auf welche Art. 5, Abs. 2 der Reichsverfassung Anwendung 
finden würde. Die Frage ist übrigens ohne Bedeutung; da aus tatsächlichen Grün- 
den die Auflösung der Kontingentsgemeinschaft mit Preußen ausgeschlossen ist.
	        
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