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ein derartiges dem Kaiser im Wege der Gesetzgebung
delegiertes Verordnungsrecht ebenfalls sehr wohl mög-
lich. Aber darüber hinaus ist, wie bereits gesagt, der
Kaiser hier auch Träger eines selbständigen Ver-
ordnungsrechts, und zwar im ganzen Umfange der
Reichskompetenz, soweit nicht nach $ 102 der Ver-
fassung ein Reichstagsbeschluss notwendig ist. Der
Kaiser der Frankfurter Verfassung nimmt also auf
dem Gebiete des Verordnungsrechts, wenn man von der
Bestimmung des $ 196, Abs. 3 absieht, dieselbe Rechts-
stellung ein wie nach preussischem Staatsrecht der
König und im neuen Deutschen Reiche der Bundesrat.
Das kaiserliche Verordnungsrecht der Verfassung von
1849 steht mithin seinem Rechtsgrunde nach bedeu-
tend höher als das der geltenden Reichsverfassung.
Ferner überragt nach dem Gesagten ausserdem der
Umfang der kaiserlichen Verordnungsbefugnis aufGrund
der Verfassung von 1849 bedeutend die Verordnungs-
gewalt des Kaisers im neuen Deutschen Reiche. — Über-
einstimmend bedarf nach den beiden Verfassungen jede
kaiserliche Verordnung der ministeriellen Gegenzeich-
nung: 874 und Art. 17, Satz 2. — Ein kaiserliches Not-
verordnungsrecht ist beiden Verfassungen unbekannt.
dann ausgeschlossen, wenn ein Gesetz es ausdrücklich bestimmte.
Ein delegiertes Verordnungsrecht ist allerdings mit den ent-
sprechenden Pflichten verbunden. Aber weshalb der Kaiser,
der doch naturgemäss fast stets der grösseren Sachkenntnis
untergeordneter Organe die Feststellung der Verordnungsvor-
schriften im einzelnen überlassen muss, nicht auch diesen Or-
ganen seines Willens die förmliche Ausübung des Verordnungs-
rechts sollte übertragen können, ist m. E. nicht einzusehen. An-
ders insbesondere Zorn a.a.0. S. 491.