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Von einem Institute wie dem Bundesrate der geltenden
Reichsverfassung ist in der Verfassung der Paulskirche
dagegen keine Rede‘°). Vielmehr übt nach $ 84 unter
verfassungsmässiger Mitwirkung des Reichstags der
Kaiser als „Träger“ der Reichsgewalt alle Rechte
und Befugnisse, die dieser in der Verfassung beigelegt
sind. Auch den Einzelstaaten gegenüber stehen also
dem Kaiser diese Rechte zu, und er wird anderseits
von den Einzelstaaten als solchen in keiner Weise in
der Ausübung der ihm übertragenen Befugnisse be-
schränkt. Das Verhältnis der einzelstaatlichen Organi-
sationen gegenüber dem Kaiser ist daher rechtlich ledig-
lich das der Untertanenschaft.e Demgegenüber steht
nach der geltenden Reichsverfassung der Kaiser zwar
als Organ des Reiches, soweit seine Rechte reichen,
über dem einzelnen Staate, zumal auf dem Gebiete des
militärischen Oberbefehls. Aber anderseits ist hier
die Gesamtheit der Einzelstaaten als solche ent-
sprechend der verfassungsmässigen Stellung des Bundes-
rats dem Kaiser übergeordnet. Denn prinzipiell ist
1848. I. Bd., S. 385 ff.) dem Entwurfe der Siebzehner zum Vor-
wurf machten, dass er die deutschen Fürsten „zu blossen Vor-
stehern der Landespolizeigewalt* erniedrige (S. 406 a. a.0O.),
hätte man auch den Gesetzgebern der Paulskirche vorhalten
können. In der Tat sind die „einzelnen deutschen Staa-
ten“, deren staatliche Selbständigkeit der $5 der Verfassung
scheinbar so sorgsam sich angelegen sein lässt, rechtlich
nichts anderes als mit weitgehenden Selbstverwal-
tungsrechten ausgestattete, in ihrer Behördenorga-
nisation einem Staatswesen nachgebildete Provinzen
des Reiches.
40) Auch der in der 1. Lesung beschlossene und in der
2. Lesung wieder gestrichene Reichsrat ist mit dem Bundesrat
der geltenden Verfassung nicht entfernt zu vergleichen. Er
wäre nichts mehr gewesen als eine begutachtende Minister-
konferenz, eine Art sachverständiger Beirat oder dergleichen, je
nach den Umständen. Ein votum decisivum war ihm versagt.