Full text: Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und vom 16. April 1871.

— bi — 
diese Wirkung dem Beschlusse des Reichstags bei- 
sclegt, nein, in allen Fällen, in denen gemäss $ 102 
ein Reichstagsbeschluss überhaupt erforderlich ist, ge- 
nügt in letzter Linie der Wille der Volksvertretung 
zum Zustandekommen des Gesetzes. Denn $ 101 sagt: 
„Ein Reichstagsbeschluss, welcher die Zustimmung 
der Reichsregierung nicht erlangt hat, darf in derselben 
Sitzungsperiode nicht wiederholt werden. 
„Ist von dem Reichstage in drei sich unmittelbar 
folgenden ordentlichen Sitzungsperioden derselbe Be- 
schluss unverändert gefasst worden, so wird derselbe, 
auch wenn die Zustimmung der Reichsregierung nicht 
erfolgt, mit dem Schlusse des dritten Reichstages zum 
Gesetz. Eine ordentliche Sitzungsperiode, welche nicht 
wenigstens vier Wochen dauert, wird in dieser Reihen- 
folge nicht mitgezählt.“ 
8 102 aber unterstellt die Ausübung gerade der 
wichtigsten Hoheitsrechte des Reichs der Mitwirkung 
des Reichstags. Insbesondere ist nach 8 102, Ziff. 1 
ein Reichstagsbeschluss stets erforderlich, wenn „die 
Erlassung, Aufhebung, Abänderung oder Auslegung (!) 
von Reichsgetzen“ in Frage steht. In allen diesen 
wichtigen Materien ist also nach $ 101 der Wille des 
Kaisers nicht entscheidend, sondern der Wille des 
Volkes! Aber nicht genug damit. Sogar die Normen 
der Verfassung selbst gelten nur so lange, als es der 
Wille der Volksvertretung gestattet. Wenn sie in 
drei aufeinanderfolgenden Sitzungsperioden beharrlich 
ihren Willen vertritt, ist die Sanktionsgewalt des 
Kaisers nach $ 196, Abs. 3 ausdrücklich ausgeschaltet. 
Auch wegen der Rechtsstellung des Kaisers, wie sie 
durch die Verfassung einmal bestimmt ist, gilt in 
dieser Beziehung nichts besonderes; auch die ver- 
fassungsmässigen Rechte des Kaisers verbleiben dem-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.