Full text: Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und vom 16. April 1871.

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staatsgerichtshofesin der Paulskirche klar war. Nament- 
lich die Bestimmungen in den Ziffern a) und g) er- 
scheinen nicht nur politisch, sondern auch staatsrecht- 
lich sehr bedenklich. M.E, stellt das Reich durch 
solche Verfassungsbestimmungen seine eigene Sou- 
veränität in Frage. 
Doch das nebenbei. Hier interessiert in erster 
Linie die Tatsache, dass nach $ 126 Ziff. a) der 
Kaiser von jedem Einzelstaat und nach Ziff, g) sogar 
von jedem einzelnen deutschen Staatsbürger vor einen 
Gerichtshof. zitiert werden kann, um über die Recht- 
mässigkeit seines staatsrechtlichen Handelns erkennen 
zu hören. Zwar die Verfassung selbst drückt sich 
weniger schroff aus, insbesondere ist nicht vom Kaiser, 
sondern von der „Reichsregierung* die Rede. Aber 
der Sinn kann doch nicht zweifelhaft sein, da in 8 84 
der Kaiser der „Träger“ der Reich-Regierungsgewalt 
genannt wird. In Wirklichkeit ist freilich die Stellung 
des Kaisers mit Rücksicht auf $ 126 Ziff. a) und g) 
eine ganz unselbständige. Denn abgesehen davon, 
dass auf grund dieser Bestimmungen der Verfassung 
jeder deutsche Einzelstaat, ja jeder einzelne Reichs- 
bürger imstande ist, die staatsrechtliche Tätigkeit 
des Kaisers in durchaus legaler Weise völlig lahm 
zu legen*), der Kaiser beziehungsweise die Organe 
seines Willens können auf diese Weise auch geradezu 
rektifiziert werden. Würde nämlich das Reichs- 
gericht eine Massregel der kaiserlichen Regierungs- 
gewalt für unzulässig erklären, so wäre der Kaiser 
gemäss dem Verfassungseide verpflichtet, von seinem 
Willen abzustehen bezw. dem Ministerium die Durch- 
führung der beabsichtigten Massregel zu untersagen. 
  
  
48) Vergl. die Ausführungen von Moritz Mohl, Stenogr. 
Ber. S. 3609.
	        
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