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staatsgerichtshofesin der Paulskirche klar war. Nament-
lich die Bestimmungen in den Ziffern a) und g) er-
scheinen nicht nur politisch, sondern auch staatsrecht-
lich sehr bedenklich. M.E, stellt das Reich durch
solche Verfassungsbestimmungen seine eigene Sou-
veränität in Frage.
Doch das nebenbei. Hier interessiert in erster
Linie die Tatsache, dass nach $ 126 Ziff. a) der
Kaiser von jedem Einzelstaat und nach Ziff, g) sogar
von jedem einzelnen deutschen Staatsbürger vor einen
Gerichtshof. zitiert werden kann, um über die Recht-
mässigkeit seines staatsrechtlichen Handelns erkennen
zu hören. Zwar die Verfassung selbst drückt sich
weniger schroff aus, insbesondere ist nicht vom Kaiser,
sondern von der „Reichsregierung* die Rede. Aber
der Sinn kann doch nicht zweifelhaft sein, da in 8 84
der Kaiser der „Träger“ der Reich-Regierungsgewalt
genannt wird. In Wirklichkeit ist freilich die Stellung
des Kaisers mit Rücksicht auf $ 126 Ziff. a) und g)
eine ganz unselbständige. Denn abgesehen davon,
dass auf grund dieser Bestimmungen der Verfassung
jeder deutsche Einzelstaat, ja jeder einzelne Reichs-
bürger imstande ist, die staatsrechtliche Tätigkeit
des Kaisers in durchaus legaler Weise völlig lahm
zu legen*), der Kaiser beziehungsweise die Organe
seines Willens können auf diese Weise auch geradezu
rektifiziert werden. Würde nämlich das Reichs-
gericht eine Massregel der kaiserlichen Regierungs-
gewalt für unzulässig erklären, so wäre der Kaiser
gemäss dem Verfassungseide verpflichtet, von seinem
Willen abzustehen bezw. dem Ministerium die Durch-
führung der beabsichtigten Massregel zu untersagen.
48) Vergl. die Ausführungen von Moritz Mohl, Stenogr.
Ber. S. 3609.