Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Zweiter Band. (2)

Nr. 6. 
172 II. Buch. Handelsgesellschaften u. stille Gesellschaft. § 262 (Nr. 5—7). 
Reservefonds zu überweisen. Voraussetzung ist, daß sie ohne Erhöhung des Grund- 
kapitals geleistet werden. Die Vorschrift trifft also nicht zu, wenn bei Erhöhun 
des Grundkapitals die junge Aktie zum Teil bar bezahlt, zum Restbetrag aber dur 
Hingabe alter Aktien abgegolten wird (Makower Anm.lle gegen Simon S. 227). 
Voraussetzung ist ferner Gewährung eines Vorzugsrechts für die Aktie, nicht 
etwa bloß ein Vorteil für den betreffenden Aktionär (Makower a. a. O.). Im 
Übrigen ist es gleichgültig, ob das Vorzugsrecht nur ein Mitgliedschaftsrecht oder ein 
Gläubigerrecht begründet (K.G. in O. L. G. Rspr. IV, 473 ff.). Die Uberweisung ist aber 
nur insoweit nötig, als nicht Verwendung zu außerordentlichen Abschreibungen oder 
zur Deckung außerordentlicher Verluste beschlossen wird. Der Abschreibung steht 
ie Bedenkung eines Erneuerungsfonds gleich (Nr. 14 zu § 261). Die Verwendung 
ist auch ohne Unterbilanz zulässig. Daß sie auch für die gewöhnlichen Abschreibungen 
und gewöhnlichen Betriebsverluste erfolgen kann (Staub-Pinner Anm. 20), ist 
dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Beschluß muß gefaßt sein, bevor die Zuzahlung 
erfolgt (a. M. Makower a. a. O.). Ist sie bewirkt, so wächst der Betrag dem 
Zwangéreservefonds zu, der nur behufs Deckung von Bilanzverlusten angegriffen 
werden kann. (A. M. Makower a. a. O.). Die Kosten der Transaktion werden 
entsprechend der Bestimmung in 3. 2 abgezogen werden dürfen (Staub-Pinner 
Anm. 21). Stempelrechtliches: R.G.3. XLV S. 87, LXII S. 362. 
3. „Anlegung“. Das frühere Recht (Art. 185c) gedachte einer Anlegung des 
Reservefonds. Dabei war dessen rechtliche Natur verkannt. Der Reservefonds ist 
ein Rechnungsposten, dessen Einstellung in die Bilanzpassiva verhindert, daß vor 
seiner Ausgleichung durch das Aktivvermögen Zahlungen an die Aktionäre erfolgen 
(58 215 Abs. 1, 261 Z. 5). Daß dem Rsewosonds bestimmte, besonders zu ver- 
waltende Aktiva zu entsprechen hätten, ist nicht vorgeschrieben. Ebensowenig, daß 
in seiner Höhe leicht veräußerliche Vermögensstücke vorhanden sein müßten. In- 
wieweit es Pflicht der Mitglieder der Verwaltungsorgane ist, auf die Bereithaltung 
flüssiger Mittel in dem Betrag des Refervefonds hinzuwirken, richtet sich nach den 
ctwaszen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags und in Ermangelung solcher nach 
der Ubung ordentlicher Geschäftsleute (vgl. Begründung 1884 S. 176, Bericht 1884 
S. 25 f.). Da der Reservefonds als besonderer Bestandtel des Aktivvermögens recht- 
lich nicht in Betracht kommt, sind seinem Bestand auch nicht Zinsen zuzuschreiben, 
selbst dann nicht, wenn als Aktiva Effekten des Reservefonds geführt werden. Die 
Zinsen solcher Effekten sind Erträgnisse des Geschäftsvermögens wie alle anderen. 
Nur wenn der Gesellschaftsvertrag dies besonders verfügt, ist dem Reservefonds aus 
dem Gewinn der Betrag der Zinsen von dergleichen Effekten zuzuschreiben. (Dazu 
Simon S. 229ff., 281 ff., Neukamp in 3. XXXVIII S. 87ff., auch O. L. G. Dresden 
in Z. XXXV S. 238; anders Keyßner A.G. S. 253f. u. in Busch XXXII S. 141, 
Renaud A G. S. 760). 
4. Verwendung. Der Zwangsreservefonds dient zur Deckung eines aus der 
Bilanz sich ergebenden Verlusts und nur zu solcher Deckung. Dieser Verlust ist 
derjenige, welcher nach § 261 Z. 6 am Schlusse der Bilanzaktiva anzugeben ist. Ein 
ebenfalls verlorener Gewinnvortrag aus dem Vorjahr darf nicht zugerechnet werden 
(a. M. Makower Anm. Ib. Daß die Bilanz, von der das Gesetz handelt, nur 
solche eines verflossenen Geschäftsjahrs sein soll, ist nicht ausgedrückt. Danach wird 
auch die Eröffnungsbilanz von der Norm betroffen; ein aus ihr sich ergebender 
Verlust, z. B. in Folge von Gründungsaufwendungen, kann deshalb sofort aus 
dem Aufgeld Kodect werden (Simon S. 243f.; a. M. Makower Anm. Ja, Ritter 
Nr. 2, auch Begr. 1884 S. 175: Unterbilanz „bei Jahresschluß" und Bericht 1884 
S. 25. Die allgemeine Ansicht geht dahin, daß, wenn ein Bilanzverlust vorliegt, 
der esroesonde zu seiner Deckung verwendet werden muß, nicht nur kann (bes. Neu- 
kamp in 3. XXXVIII 29 ff., Simon S. 241f., Staub-Pinner Anm. 8). Die 
Ansicht ist bedenklich, weil das Gesetz offenbar keinen Anlaß hatte, die Gesellschaft 
u hindern, daß sie unter Bewahrung ihres Reservefonds den Gewinn künftiger 
Vohre zunächst zur Ausgleichung des Verlustes verwende (vgl. auch Rehm S. 80, 
625). Die Begr. 1884 bemerkt denn auch, daß natürlich das Gesetz kein Gebot 
aufstelle, die Verluste durch den Veservefonde zu decken, daß vielmehr die Gesellschaft 
entscheiden möge, ob und wieweit eine Verwendung desselben erfolgen solle (S. 176). 
Keinesfalls ist die Verwendung des Reservefonds zur Deckung von Bilanzverlust 
zwingenden Rechtes; wird beschlossen, hiervon abzusehen, so würde damit höchstens
	        
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