Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

94 II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland. 
punkte, welche sie noch kurz vorher für unentbehrlich erklärt 
hatten, jetzt mit unbegreiflicher Leichtigkeit preisgaben. Die 
preussischen Staatsmänner liessen sich herbei, ihren Entwurf mit 
dem Metternich’s so zu verschmelzen, dass dieser in allen Be- 
ziehungen überwog. Vom 23. Mai bis zum 10. Juni 1815 fanden 
die elf Schlusskonferenzen der deutschen Bevollmächtigten statt, 
welchen Fürst Metternich den zwischen Oesterreich und Preussen 
vereinbarten Entwurf vorlegte, mit dem Bemerken, »dass er nur die 
Grundzüge der politischen Konföderation enthalten solle, deren 
nähere Entwickelung man dem Bundestage überlassen müsse.« 
Obgleich aus diesem Entwurfe vom 23. Mai bereits die wich- 
tigsten, früher von Preussen, Hannover und den 29 kleinen Staaten 
geforderten nationalen Garantien, als kräftige Exekutivgewalt, Fest- 
setzung eines Minimums der landständischen Rechte. entfernt 
waren. so erfuhr derselbe doch ın diesen Schlusskonferenzen noch 
manche weitere Abschwächungen. Vorallem wurde das Bundesge- 
richt, »dieser Schlussstein des deutschen Rechtsgebänudes«, auf Bayerns 
Antrag kurzweg beseitigt (Klüber II. 8. 383. 424. 533. auf den 
Antrag desselben Staates wurde der XIII. A. auf die allgemeine Zu- 
sicherung: »ın allen Bundesstaaten wird (statt soll) eine landstän- 
dische Verfassung stattfinden«, beschränkt (Klüber 8. 354), dagegen 
die Bezeichnung der Bundesfürsten als »ssouverän« aufgenommen. 
Die Ausstellungen der anderen Staaten gingen auf andere Punkte, 
besonders auf das Stimmenverhältniss im engen Rathe und im Ple- 
num. Schwierigkeiten machte dıe Bestimmung der Fälle, wo die 
Stimmenmehrheit ausgeschlossen werden sollte, und fiel auch höchst 
ungenügend aus. So wurde durch verschiedene Veränderungen eine 
revidirte Abfassung nöthig, welche statt derfrüheren 17 bereits 20 Ar- 
tikel enthielt (KlüberII. S. 479— 492). Diese »neue oder revidirte 
Abfassung« wurde in der achten Konferenz am 3. Juni verlesen; 
dlieselbe ist bereits wesentlich übereinstimmend mit der Bundesakte. 
Die zehnte Konferenz vom 8. Juni brachte die Redaktion der Bun- 
ddesakte zum Abschlusse, die einzelnen Artikel wurden paraphirt. 
Durch diesog. Paraphirung war der Abschluss der Bundesakte 
schon erfolgt; die letzte Sitzung vom 10. Juni war nur eine solenne. 
wo die Unterzeichnung und Untersiegelung der Reinschrift statt- 
fand. Die Bundesakte ist in zwei Abschnitte getheilt, von denen 
der erste Art. I-XI. die allgemeinen Bestimmungen enthält. 
welche sich auf die Organisation des Bundes selbst, der zweite die 
besonderen Bestimmungen, welche sich auf die inneren Ver-
	        
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