Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

100 IE. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland. 
Zustimmung der Betheiligten kein dieselben bindender Beschluss 
gefasst werden. Jura singulorum sind alle solche Rechtsverhält- 
nisse, in Bezug auf welche die deutschen Staaten nicht als Glieder 
(les Bundes in ihrer vertragsmässigen Einheit, sondern als ein- 
zelne selbständige Staaten in Betracht kamen. A.15 der WSchA. 
fusst hier auf I. P. O0. A. V $ 52 »ubi status imperli tamquam 
umum corpus considerari nequeunt«e. Zu den juribus singulorum 
gehörten somit alle inneren Regierungsangelegenheiten der deut- 
schen Bundesglieder, soweit nicht eine Beschränkung hinsicht- 
lich deren Ausübung bundesverfassungsmässig festgestellt war. 
Den juribus singulorum gleichgestellt wurde der Fall, »wo einzelnen 
Bundesgliedern eine besondere’, nicht in den gemeinsamen Ver- 
pflichtungen Aller begriffene Leistung oder Verwilligung für den 
Bund zugemuthet werden sollte (WSchA.A.15 Zu dem Gattungs- 
begriffe der jura singulormm gehörten auch die sog. gemein- 
nützigen Anordnungen; es handelte sich dabei um Massregeln, 
welche ausserhalb der Bundessphäre lagen und in den Kreis 
der Regierungsrechte der einzelnen Bundesstaaten gehörten, aber 
dennoch zum allgemeinen Wohl von Deutschland gereichten und 
dleshalb aus Rücksichten der Zweckmässigkeit gemeinschaftlich 
und nach übereinstimmenden Grundsätzen getroffen werden sollten. 
Rechtlich auf gleicher Stufe standen diejenigen Gegenstände, welche 
zwar ausserlialb der Bundessphäre lagen, auch keine weitere Beden- 
tung für das Öffentliche Wohl der Bundesstaaten hatten, aber sich 
den Bundesgliedern aus irgend welcher Rücksicht zur gemeinsamen 
Beschlussfassung empfahlen, z. B. Unterstützung literarischer Un- 
ternehmen, Privilegien bei Erfindungen. 
g 47. 
Kompetenz der Bundesversammlung. 
Die wichtigsten Bestimmungen über die Bundeskompetenz wa- 
ren a. die provisorische Kompetenzbestimmung der Bundesversamm- 
lung vom 12. Juni 1817 (G. v. Meyer, IIS. 40), b. die Bestim- 
mungen der WSchA. über die Kompetenz, welche sich an die provi- 
sorische Kompetenzbestimmung auf das engste anschliesst. Darnach 
war die Wirksamkeit der Bundesversammlung zunächst durch die 
Vorschriften der Bundesakte und durch die in Gemässheit derselben 
beschlossenen oder ferner zu beschliessenden Grundgesetze des Bun- 
des. wo aber diese nicht zureichten, durch die im Grundvertrage be-
	        
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