102 II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandesin Deutschland.
Nothwendigkeit der Leistung durch den Bundesbeschluss festge-
stellt und konnte nıcht von den Landständen verneint werden.
$ 48.
Rechtsverfassung des Bundes!,
So unvollkommen die oben $ 30) geschilderte Reichsjustiz
war so lag doch in ihr immer noch der aktivste Theil der Reichs-
verfassung. Das ältere deutsche Reich betrachtete die Erhaltung
des Landfriedens als seine oberste Aufgabe. Die höchste Ge-
richtsbarkeit in ganz Deutschland stand bei Kaiser und Reich und
wurde durch die Reichsgerichte ausgeübt. Bei der Gründung des
deutschen Bundes waren die Erinnerungen an die Justizverfassung des
deutschen Reiches noch sehrlebhaft. Bis zu dem letzten Stadium der
Berathung galt ein an die Stelle der Reichsgerichte tretendes Bun-
desgericht als der »unentbehrliche Schlussstein des deutschen
Rechtsgebäudes«e. Dasselbe fiel schliesslich der Souveränetätssucht
der Mittelstaaten, welche dasselbe für unverträglich mit der Idee
eines rein völkerrechtlichen Staatenbundes hielten. Aber dennoch
konnte der Bund nicht jeder Justizverfassung entbehren. Vor allem
war eine Art von richterlichem Verfahren bei Streitigkeiten der Bun-
desglieder untereinander nöthig. Um eine solche Rechtsprechung
zu bewirken, schloss man sich, in Ermangelung eines eigentlichen
Gerichtshofes, an das zu Reichszeiten geltende Austrägalver-
fahren an. Als Grundlage des im Bunde geltenden Landfriedens
zwischen den deutschen Staaten ist A. 11 der Bundesakte anzusehen,
in welcher sich die Bundesglieder verbindlich machen, »einander
unter keinerlei Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit
Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung anzu-
bringen. Dieser liegt alsdann ob, die Vermittlung durch einen
Ausschuss zu versuchen und, falls dieser fehlschlagen sollte und
demnach eine richterliche Entscheidung nothwendig würde, solche
durch eine wohlgeordnete Austrägalinstanz zu bewirken, deren
Ausspruch sich alle '[heile sofort zu unterwerfen haben«.
H. A. Zachariä, Th. II. 8268. 8.731. A. W Heftfter, Beiträge
zum deutschen Staats- und Fürstenrechte 1829. Nr. III. Codex Austregalis
confoederationis Germanicae. v. Leonhardi, Das Austrägalverfahren des
deutschen Bundes. I.B. Frankf. 183%. II. Bd. 1545. H. Zöpfl, Ueber das Ver-
hältniss der Beschlüsse des deutschen Bundes zu Sachen der streitigen Gerichts-
barkeit und gerichtlichen Entscheidungen. Archiv für eivil. Praxis B. XXVII.
S. 38% ff.