Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

104 Il. Geschichtl. Entwickelung desstaatl Rechtszustandes in Deutschland. 
brachten gemeinen Rechten«e. d.h. nach A. 23 der WSchA., »nach 
den iu Rechtsstreitigkeiten derselben Art vormals von den Reichs- 
gerichten befolgten Rechtsquellen, insofern solche auf die Verhält- 
nisse der Bundesglieder noch anwendbar sind«. 
Das Enderkenntniss, welches spätestens binnen Jahresfrist er- 
folgen soll. ist sofort nach seiner Eröffnung rechtskräftig. Nur ein 
ausserordentliches Rechtsmittel ist dagegen zulässig, das Restitu- 
tionsgesuch ex capite novorum. von dem Tage der Auffindung der 
nova au binnen vier Jahren anzubringen und ohne Suspensiv- 
effekt. 
Nach A. 15 der WSchA. hatte die Bundesversammlung, wenn 
(ie innere Ruhe und Sicherheit des Bundes auf irgend eine Weise 
bedroht oder gestört war, über die Erhaltung und Wiederherstellung 
Rath zu pflegen und die geeigneten Beschlüsse zu bewirken. Wenn 
Thätlichkeiten zwischen Bundesgliedern zu besorgen oder schon 
wirklich ausgeübt waren. so hatte die Bundesversammlung vorläufige 
Massregeln zu treffen und der Selbsthülfe Einhalt zu thun, auch 
hatte sie vor allem für Aufrechterhaltung des Besitzstandes zu sorgen. 
Nach A.20 der WSchA. hatte sie ein Verfahren in possessorio sum- 
marissimo, wenn der jüngste Besitzstand streitig war, indem zur 
summarischen Entscheidung der oberste Gerichtshof eines unbe- 
theiligten Bundesgliedes herbeigezogen werden sollte. 
Die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in den einzelnen 
Bundesstaaten stand regelmässig deren Regierungen zu; nur aus- 
nahmsweise erfolgte ein Einschreiten des Bundes im Falle der Wi- 
ddersetzlichkeit der Unterthanen gegen die Obrigkeit, eines offenen 
Aufrulirs oder gefährlicher Bewegungen in mehreren Bundesstaa- 
ten, jedoch regelmässig nur auf Anrufen der gefährdeten Regierung ; 
ein Einschreiten aus eigner Initiative fand nur statt, wenn die be- 
treffende Regierung notorisch ausser Stande war, den Aufruhr durch 
eigene Kräfte zu unterdrücken, zugleich aber verhindert war, die 
Hülfe des Bundes selbst zu begehren. 
War durch diese Bestimmungen der WSchA. A.26, 27 und 25 
für die Sicherheit der Regierungen hinreichend gesorgt, so fehlte es 
den Unterthanen in der Bundesverfassung an jedem Rechtsschutze 
gegen die Willkür der Regierungen, welchen ihnen einst die 
Reichsgerichte wenigstens grundsätzlich gewährt hatten. Dagegen 
suchte man die Unterthanen, nach einer andern Richtung hin, einiger- 
massen für den ihnen entgehenden reichsgerichtlichen Schutz zu ent- 
schädigen. Deshalb wurde durch A. 12 der Bundesakte die Rechts-
	        
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