Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

112% II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland. 
v.Meyerl1S.343—353) beruhte der Länderbestand der deutschen 
Einzelstaaten, welche den deutschen Bund ausmachten. In dieser 
Vereinigung grösserer, mittlerer und kleinerer Staaten entrolltsich vor 
uns ein Bild der verschiedenartigsten Verfassungsentwickelung. In 
Ermangelung bundesrechtlicher, allgemein verbindlicher Bestimmun- 
gen blieb die Verfassungsentwickelung der deutschen Staaten we- 
sentlich dem Belieben der Einzelregierungen überlassen. 
In dieser bunten Mannigfaltigkeit staatlicher Entwickelungkann 
man besonders in den Jahren 1815—30 zwei entgegengesetzte Staa- 
tengruppen unterscheiden. Abgesehen von den beiden Gross- 
mächten, Oesterreich und Preussen, welche trotz ihrer Bundeszu- 
gehörigkeit die Bedingungen ihres Daseins wesentlich in sich selbst 
trugen, scheidet sich die Gruppe der norddeutschen Staaten 
scharf ab vom Süden Deutschlands. Im Norden herrschte ın 
dieser Periode ‚Unbevwreglichkeit, Festhalten am Alten, Hinneigung 
zu einer aristokratisch-absolutistischen Staatsordnung, im Süden 
dagegen Bewegung, Fortschritt und durchgreifende Neuerung. 
In Hannover. Oldenburg, Braunschweig und Hessen-Kassel 
waren die fürstlichen Häuser von der Fremdherrschaft vertrieben 
vewesen. In diesen Ländern fand daher eine Restauration statt 
mit aller Vorliebe für das Alte, selbst wo es ungesund und überlebt 
war. mit allem Hasse gegen das Neue, selbst wo es unstreitig das 
Bessere war, ein bekannter Grundzug in der Politik restaurirter 
Vynastien. In Hannover und Hessen wurden nach Beseitigung aller 
französischen Einrichtungen, Steuerprivilegien, Adelsvorrechte. 
/ıanftstatuten, die ganze krause Mannigfaltigkeit der provinciellen 
Rechte und Gesetzgebungen wiederhergestellt. Die in Hannover 
durch das Patent vom 7. December 1819 ins Leben gerufene allge- 
meine Ständeversammlung ruhte ganz auf den veralteten altständı- 
schen Grundlagen, befestigt durch eine starre Adelsoligarchie. In 
Kurhessen wurde der Verfassungsentwurf vom 16. Februar 1816 
von den Ständen zurückgewiesen und kam gar nichts zu Stande '!. 
Aber auch in den norddeutschen Staaten, wo die Dynastien nicht 
verdrängt waren, machte sich das Stabilitätsprinzip in vollster Schroff- 
heit geltend. so besonders in Mecklenburg und Sachsen. 
In den beiden Mecklenburgs war man, trotz der weltumgestaltenden 
Ereignisse der französischen Revolution. keinen Augenblick aus den 
I Pfeiffer, Geschichte der landständischen Verfassung in Kurhessen. 
1534. Wippermann Kurhessen seit den Freiheitskriegen. 1850.
	        
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