114 II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland.
den Rhembund mehrere grössere Staatskörper neugeschaffen waren.
welche der staatlichen Neuordnung dringend bedurften.
$ 52.
Die konstitutionelle Entwickelung der süddeutschen Staaten-
gruppe.
Nachdem durch den Rheinbund die zahliosen kleinen lebens-
unfähigen Territorien verschwunden waren ($ 40), hatten sich im
Süden Deutschlands vier anusehnliche Mittelstaaten konsolidirt, im
welchen sich, trotz mannigfacher Verschiedenheit im Einzelnen, ein
gemeinsamer Entwickelungsgang geltend machte. Es sind dies die
Königreiche Bayern und Würtemberg und die Grossher-
zogthümer Baden und Hessen-Darmstadt. Hier waren die
Dynastien nicht nur ununterbrochen im Besitze verblieben, sondern
verdankten gerade der Rheinbundszeit und der Gunst des Protektors
ihre Grösse und Machtstellung. Restaurationsgedanken und Hass
gegen das Fremde waren daher weder in den leitenden Kreisen, noch
in der Bevölkerung zu Hause. Durch die rheinbündnerische Staats-
kunst waren hier die alten ständischen Verfassungen völlig beseitigt,
ein Anknüpfen an das Alte überhaupt unmöglich. Es galt hier vor
allem, die militärisch und bureaukratisch vollzogene Einheit im
Volksbewusstsein zu befestigen, die angegliederten geistlichen und
weltlichen Gebiete mit den alten Stammlanden zu einer Staatseinheit
zu verschmelzen, die immer noch widerstrebenden Elemente der
Standesherrn und der reichsritterschaftlichen Grundherrn der neuen
Staatsordnung einzufügen und den jüngst erst zusammengeschweiss-
ten Bevölkerungen ein staatliches remeingefühl einzuflössen. Dazu
sollten die neuen Konstitutionen dienen. welche nicht, wie die
norddeutschen oder sächsischen Grundgesetze dieser Zeit, sich nur
auf einzelne Bestimmungen über Zusammensetzung und Rechte der
Stände beschränken, sondern den ganzen Bestand des öffentlichen
Rechtes in Einer Urkunde umfassen, die ganze Staatsordnung k o di-
ficiren wollten !.
Die erste Konstitution in diesem umfassenden Sinne erhielt das
Königreich Bayern durch die Verfassungsurkunde vom 26. Mai
1818. Durch dieselbe verbriefte der Staatsgründer Bayerns ?, König
! Gervinus, Geschichte des XIX. Jahrhunderts. B. HI. Leipzig 1856.
S. 596 ff.
®2 G.Frhr.v. Lerchenfeld, Geschichte Bayerns unter König Maximilian