116 II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland.
den materiell bessern und freisinnigern Propositionen der Krone
gegenüber, bis endlich unter König Wilhelm I., unter dem Drucke
veränderter Zeitverhältnisse, die noch jetzt geltende würtember-
gische Verfassung vom 25. September 1819 durch end-
liche Vereinbarung festgestellt wurde. Wie sich bereits im vorigen
Jahrhundert die alte ständische Verfassung Würtembergsam meisten
schon der modernen Repräsentativverfassung genähert hatte, so
knüpfte wieder die Verfassung von 1819 die neue konstitutionelle
Ordnung möglichst an die ehrwürdigen Traditionen der aufgehobe-
nen, abernie in Vergessenheit gerathenen alten Landesverfassung an.
Nach längern Verhandlungen kam auch in dem vierten grössern
Rheiubundsstaate, im Grossherzogthum Hessen, eine Repräsen-
tativverfassung zu Stande, welche am 17. December 1820 zwar als
eine Gewährung des Fürsten publicirt wurde, in der 'That aber eben-
falls eine vereinbarte Konstitution war!.
Es zeugt von wenig staatsmännischem Verständnisse, wenn
man in diesen süddeutschen Konstitutionen nur »Experimente ab-
strakter naturrechtlicher "Theorien und Nachahmungen französischer
Schablonen« erblickt. Von politischem Standpunkte waren sie
für die Befestigung jener neugeschaffenen Staatskörper eine unbe-
dingte Nothwendigkeit, Ja sie hatten sogar das allgemeinere Ver-
dienst, ineiner Zeit, wo in den norddeutschen Staaten alles stagnirte,
wo Preussen in seinen konstitutionellen Plänen zaghaft zurückblieb,
öffentlichen Geist, staatsbürgerlichen Gemeinsinn und ein gewisses
politisches Verständniss im deutschen Volke gross zu ziehen. Von
staatsrechtlichem Standpunkte aus gebührt ihnen das Lob,
dass sie sich so eng als möglich an die vorhandenen deutschen ge-
schichtlichen Grundlagen anschlossen, wenn auch eine Benutzung
der Charte constitutionelle Ludwig’s XVII. vom 4. Juni 1814 ın
Plan und Anordnung nicht zu verkennen ist. In allen ist das mon-
archische Princip vollständig gewahrt, indem die grundsätzliche
Vereinigung der gesammten Staatsgewalt im Staatsoberhaupt aus-
drücklich anerkannt ist durch den fast gleichlautenden Satz: »der
König Grossherzog) vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt
und übt sie unter den in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten
IK.E. Weiss, System des Verfassungsrechtes des Grossherzogthums
Hessen. 8. 57 fl. F. J. Floret, Historisch-kritische Darstellung der Ver-
handlungen der Ständeversammlung des Grossherzogthums Hessen in den Jahren
1820—21. Giessen 1822.