Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

122 11. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland. 
preussischen Verwaltung eine ebenso arbeits- als segensreiche Pe- 
riode gewesen. Es ist eine Zeit der \Wiederherstellung nach schweren 
Kämpfen, der stillen Sammlung von Kräften für künftige grosse 
Jıeiten. Noch einmal hat das absolute Königthum, in Verbindung 
mit einem redlichen und intelligenten Beamtenthum, auf den ver- 
schiedensten Gebieten Grosses geleistet. In dieser Zeit wurde die 
schon in «den Freiheitskriegen begonnene Reform des Heerwesens 
vollendet. Zum erstenmal im modernen Europa wurde hier das 
Princip der allgemeinen Wehrpflicht, der Gedanke einer volksthüm- 
lichen Heeresverfassung in ernstlichen militärischen Formen durch- 
geführt. Nur ın Preussen war »das Volk in Waffen« eine Wahrheit. 
Für die Civilverwaltung wurde durch die Verordnungen 
vom 30. April 1815 und vom 23. Oktober 1817 eine neue Grund- 
lage geschaffen. In diesen »Dienstinstruktionen« ist ein ganzer 
Kodex des preussischen Verwaltungsrechtes enthalten. Nächst der 
Militärorganisation hat die Finanzverwaltung in dieser Zeit 
Bedeutendes geleistet. Durch Gesetz vom 17. Januar 1820 wurde die 
Staatsschuld, ihre Verzinsung und Amortisation festgestellt. Durch 
Gesetz vom 20. Januar 1820 wurde die pekuniäre Ausstattung und 
Versorgung des königlichen Hauses und Hofes ganz im konstitutio- 
nellen Sinne geregelt. Durch das Gesetz vom 26. Mai 1818 wurden 
alle inneren Zoll- und Acciselinien aufgehoben und an die Gren- 
zen des Reiches verlegt, wodurch das Steuersystem gänzlich 
umgestaltet wurde. Am 21. Februar 1829 wurde der Hauptfinanz- 
etat zum erstenmal veröffentlicht. Auf Grundlage der Gesetzge- 
bung vom 26. Mai 1818 erwuchs aus unscheinbaren Anfängen, 
durch immer sich weiter spinnende Separatverträge mit den übrigen 
deutschen Staaten, der Zollverein zur lebensfähigsten Institution 
heran, welche, wie keine andere Schöpfung, dem künftigen deut- 
schen Nationalstaate die Wege geebnet hat. Allein schon seit den 
dreissiger Jahren trat eine merkliche Abnahme in der schöpferischen 
Kraft des preussischen Staatswesens ein. Es wurde immer klarer, 
dass der rein bureaukratische Beamtenstaat — mochten seine Lei- 
stungen an sich noch so anerkennenswerth sein — nicht im Stande 
sei, die grossen religiösen, socialen und politischen Gegensätze aus- 
zugleichen und die unruhig gährenden Ideen einer neuen Zeit noch 
länger zu bewältigen. Mit der 'Thronbesteigung Friedrich Wil- 
helm’s IV. am 7. Juni 1840 kam ein neuer Impuls in das preussische 
Staatsleben. In den einzelnen Provinziallandtagen beantragten die 
Stände »die Ausführung der Verheissung einer Landesrepräsen-
	        
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