Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

4. Die Krisis des Jahres 1848. 129 
der Verfassung: Reich, Reichsgewalt, Reichstag, Reichsgericht, 
Garantie der Verfassung und Wahlgesetz. Nachdem man in Be- 
treff der Oberhauptsfrage (besonders ob das Oberhaupt erblich, 
lebenslänglich, 12, 6 oder 3jährig sein sollte) zu keinem Majoritäts- 
beschlusse gekommen war und die österreichische Frage die Ver- 
sammlung in zwei grosse Parteien gespalten hatte, legte der Ver- 
fassungsausschuss seinen Bericht für die zweite Berathung der 
Reichsverfassung am 9. März vor. Der bekannte Welcker'sche An- 
trag vom 12. März 1849 auf Annahme der Reichsverfassung durch 
Gesammtbeschluss wurde abgelehnt. Am 22. März wurde zum 
zweitenmal über den revidirten Verfassungsentwurf abgestimmt; 
bis zum 27. März war dıe Abstimmung über die Reichsverfassung 
zu Ende gebracht, nachdem sie in dieser zweiten Berathung, durch 
die unnatürliche Verbindung extremer Parteien, absichtlich ver- 
schlechtert worden war z. B. Einführung des Suspensivvetos sogar 
bei Verfassungsveränderungen, Wegfall des ganzen Abschnittes vom 
Reichsrathe. Bereits am 28. März wurde die Publikation der Reichs- 
verfassung beschlossen , sie erfolgte dann, aber ohne Beitritt des 
Reichsverwesers, durch Abdruck im Reichsgesetzblatte vom 28. Aprıl 
1849 (Weil 8. 133, Roth und Merk IIS. 198). Die Verfassung 
handelt: I. Vom Reiche. II. Von der Reichsgewalt. Il. Vom 
Reichsoberhaupte. IV Vom Reichstage. V. Vom Reichsgerichte. 
VI. Von den Grundrechten des deutschen Volkes. VII. Von der 
Gewähr der Verfassung. Dazu kommt noch das Reichsgesetz über 
die Wahl der Abgeordneten zum Volkshause vom 12. April 1849. 
Nach dieser Verfassungsurkunde sollte Deutschland ein Reich in 
Form eines konstitutionellen Bundesstaates sein, unter einem mit 
verantwortlichen Ministern regierenden Erbkaiser, welchem ein 
Staatenhaus und ein Volkshaus mit sehr umfassenden Rechten zur 
Seite stehen sollten. Der Reichsgewalt sollte die gesammte völker- 
rechtliche Vertretung Deutschlands, das Recht der Kriegserklärung 
und des Friedensschlusses, die Verfügung über die gesammte be- 
waffnete Macht Deutschlands zustehen, ferner die Gesetzgebung 
und Oberaufsicht in Bezug auf See-, Handels-, Eisenbahn-, Post-, 
Münz-, Zollwesen u. s. w. Die einzelnen deutschen Staaten sollten 
ihre staatlichen Hoheiten und Rechte beibehalten, soweit sie nicht 
der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen wären. 
Am 28. März 1549 beschloss die Nationalversammlung, dass 
die erbliche Würde eines Kaisers der Deutschen Sr. Majestät dem 
Könige Friedrich Wilhelm IV. von Preussen und dessen Regie- 
F. Schulze, Deutsches Staatsrecht. 9
	        
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