130 II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland.
rungsnachfolgern übertragen werden sollte. ‘Am 3. April 1849 lud
eine feierliche Deputation der Nationalversammlung König Fried-
rich Wilhelm IV. ein, »die auf ihn gefallene Wahl auf Grundlage
der Verfassung anzunehmen« Der König erkannte an, dass
dieser Beschluss der Nationalversammluug ihm ein »Anrecht« gebe,
aber er könne keine definitive Entschliessung fassen: »ohne das
freie Einverständniss der gekrönten Häupter, Fürsten und freien
Städte Deutschlands, denen es jetzt obliege, in gemeinsame Be-
rathung zu ziehen, ob die beschlossene Verfassung den Einzel-
nen, wie dem Ganzen fromme« (Roth und Merk B. II S. 456).
An demselben Tage wurde eine Circulardepesche an sämmtliche
deutsche Regierungen erlassen, worin Sr. Majestät sich ent-
schlossen erklärte: »an die Spitze eines deutschen Bundesstaates
zu treten, der aus denjenigen Staaten sich bilden sollte, welche
demselben aus freiem Willen sich anschliessen möchten« (Roth
und Merk B. U 8.458). Als Antwort hierauf erfolgte am
14. April eine Erklärung von 29 deutschen Regierungen, dass
sie die Reichsverfassung unbedingt annähmen und der Uebertragung
der Kaiserkrone an den König von Preussen ihre Zustimmung gä-
ben (Roth und Merk B. II S. 480). Am 26. April beschloss
die Nationalversammlung, dass die Annahme der Reichsober-
hauptwürde die unbedingte Annahme der Reichsverfassung vor-
aussetze, wodurch jede Möglichkeit weiterer Verständigung ab-
geschnitten wurde. Am 28. April erfolgte die definitive Ablehnung
der Kaiserkrone von Seiten Preussens. Damit verlor die ge-
mässigte konstitutionelle Partei in der Nationalversammlung Halt
und Stütze. Der bis dahin niedergehaltene Radikalismus kam
nun in der Nationalversammlung zum vollen Siege und bald zeig-
ten extreme Beschlüsse, welche die gewaltsame Durchführung
der Reichsverfassung bezweckten, dass die bisherige massvolle Ma-
Jorität nicht mehr die Herrschaft behauptete. Eine Anzahl gemäs-
sigter Mitglieder trat freiwillig aus; Preussen und andere Regierun-
gen riefen ihre Abgeordneten zurück. Nachdem die Nationalver-
sammlung am 19. Mai erklärt hatte, dass sie auch bei Anwesenheit
von 100 Mitgliedern beschlussfähig sei, siedelte der Rest der Ver-
sammlung nach Stuttgart über und konstituirte sich daselbst
am 6. Juni 1849. Die Akten und Beschlüsse dieses sog. Rumpf-
parlamentes, die Ernennung einer sog. Reichsregentschaft, sowie
die endliche Sprengung und Vertreibung desselben haben keine
weitere Bedeutung für die deutsche Staatsentwickelung.