4. Die Krisis des Jahres 1848. 131
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Die preussisch-deutschen Unionsbestrebungen !.
Nach dem völligen Scheitern der Nationalversammlung wurde
die Initiative zu einer Bundesreform von Preussen in die Hand ge-
nommen. Der staatsrechtliche Grundgedanke dieser preussischen
Unionsbestrebungen war folgender. Der deutsche Bund in seinem
unauflöslichen Bestande bleibt die Grundlage, aber nicht er soll in
einen Bundesstaat verwandelt werden, weil Oesterreich an einem
solchen theilzunehmen ausser Stande ist. Nur die übrigen Bundes-
mitglieder, denen es möglich ist, einen solchen Bundesstaat zu
bilden, vereinigen sich dazu. Der Beitritt ruht auf freiem Ent-
schlusse: »Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet derjenigen
Staaten des bisherigen deutschen Bundes, welche die Reichsverfas-
sung anerkennen. Die Festsetzung des Verhältnisses Oesterreichs
zu dem deutschen Reiche bleibt gegenseitiger Verständigung vor-
behalten. Am 14. Mai begannen zu Berlin Konferenzen der grös-
seren deutschen Staaten über das neue Verfassungswerk, welche bis
zum 26. Mai dauerten. An diesem Tage wurde von den drei Kö-
nigen von Preussen, Sachsen und Hannover das sog. Dreikö-
nigsbündniss abgeschlossen. Dieses hatte einen doppelten In-
halt. Einmal verpflichteten sich die drei königlichen Regierungen,
unter Beistimmung einer künftigen Volksvertretung, eine defi-
nitive Verfassung für Deutschland zu begründen. Zu diesem
Zwecke hatten dieselben sich über eine Reichsverfassung vereinbart
(Weil S. 209), welche ins Leben treten sollte, sobald ein aus den
verbündeten Staaten bestehender Reichstag die Vorlage angenommen
haben würde. Daneben schufen die Verbündeten einen sogleich ins
Leben tretenden provisorischen Rechtszustand, indem sie unter
Bezugnahme auf A. XI der Bundesakte (die Bundesglieder be-
halten das Recht der Bündnisse aller Art«) einen Bund im Bunde
schlossen.
Der Berliner Entwurf einer Reichsverfassung schloss sich eng
an die Frankfurter Grundlage an, unterschied sich darin jedoch
iv. Kaltenborn, B. II. S. 157 ff. Aktenstücke, betreffend das Bünd-
niss vom 26. Mai 1849 und die deutsche Verfassungsangelegenheit. 2 Bde. Ber-
lin 1549. Die wichtigsten Urkunden finden sich auch bei Weil, Quellen und
Aktenstücke. Berlin 1550. v. Radowitz, Neue Gespräche aus der Gegen-
wart, versucht im Th. II., eine Rechtfertigung der preussischen Bestrebungen.
Hugo v. Bülow, Die rechtliche Stellung der deutschen Union im Bunde. Ber-
lin 1850. Ad. Schmidt, Preussens deutsche Politik. III. Aufl. Leipzig 1867.
8. 177—195. H. Klüpfel, B. I. Kap. VI. S. 124 ff.
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