2 Einleitung.
82.
Das Staatsrecht im Systeme der Rechtswissenschaft.
(Einl. $ 2.)
Die Eintheilung des Rechtes in öffentliches und privates er-
schöpft alles innerhalb eines Staates geltende Recht. Die Römer
kannten nur diese beiden Hauptbestandtheile der Rechtsordnung :
»bujus studii duae sunt positiones, publicum et privatum; publicum
jus est, quod ad statum rei Romanae spectat, privatum quod ad sin-
gulorum utilitatem«. ($ 4 I. de just. et jure I, 1.) Das römische jus
publicum umfasste alles, was nicht zum jus privatum gehörte.
Erst die komplicirtere Einrichtung der modernen Staaten und
die dadurch nöthig gewordene grössere Arbeitstheilung unter den
juristischen Fachmännern führte zu emer weitern Eintheilung des
öffentlichen Rechtes in verschiedene Disciplinen, wie sie gegen-
wärtig bei allen civılisirten Völkern durchgeführt ist. Man hebt
nemlich aus dem Gesammtgebiete des öffentlichen Rechtes die-
jenigen Grundsätze heraus, welche sich auf den rechtlichen
Organismus des Staates, als solchen, beziehen, und
macht daraus die Disciplin des Staatsrechts im engern
Sinne, während man die detaillirten technischen Vorschriften
über die Ausübung der eimzelnen Funktionen der Staatsgewalt
speciellen Disciplinen überweist, welche wohl zum öffentlichen,
aber nicht zum Staatsrechte im engern Sinne gerechnet werden.
Hierher gehören besonders diejenigen Lehren, welche sich speciell
auf die Ausübung des Richteramtes beziehen. Zwar ist es nicht die
einzige, wohl aber die specifische Aufgabe des Staates, die Rechıts-
ordnung zu verwirklichen, das gebrochene Recht wiederherzustellen,
den Rechtsschutz nach allen Seiten hin zu handhaben. Das staat-
liche Organ für diese Aufgabe ıst das Richteramt. Die beson-
ders juristisch relevanten Funktionen desselben sind frühzeitig durch
Gesetze festgestellt und wissenschaftlich ausgebildet worden. So
sind Strafrecht, Strafprocess und Civilprocess seit Jahrhunderten zu
eigenen Disciplinen ausgebildet worden, deren oberste Grundsätze
zwar ın das Staatsrecht gehören, deren technisches Detail aber jenen
speciellen Wissenschaften überlassen wird. Seitdem aber allgemein
anerkannt ist, dass sich die Aufgabe des Staates nicht in der Gewäh-
rung des Rechtsschutzes erschöpft, sondern dass derselbe zugleich
allen Kulturinteressen dienstbar sein soll, um so mehr Bedeutung
gewinnt, neben der Rechtspflege, die Verwaltung. Jemehr man