$. Die Gründung des neuen deutschen Reiches. 175
tigen Angelegenheiten ausser den Bevollmächtigten von bayern,
Sachsen und Württemberg, aus zwei vom Bundesrathe alljährlich
zu wählenden Bevollmächtigten der andern Bundesstaaten bestehen
soll. Nicht aufgenommen wurden die auf die Einführung norddeut-
scher Gesetze als Bundesgesetze bezüglichen transitorischen Be-
stimmungen, sie fanden ihre Stelle in dem Gesetze, durch welches
die Verfassung verkündet wurde. Hier wurden auch die rechtlichen
Wirkungen festgestellt, welche mit der Einführung eines norddeut-
schen Gesetzes als Reichsgesetz verbunden sein sollten. Auch die
Verabredungen, welche in den Schlussprotokollen vom 15.. 23.
und 25. November und unter No. 6 des Vertrages vom 23. No-
vember 1870 getroffen waren, wurden »wegen ihres theils vorüber-
gehenden, theils erläuternden, theils administrativen Charakters« in
die Verfassung nicht aufgenommen, ihre fortdauernde Gültigkeit
wurde aber durch $ 3 des Einführungsgesetzes ausser Zweifel
gesetzt. Am 27. März begann die Berathung über den revidirten
Entwurf ın den regelmässigen Formen einer dreimaligen Berathung
einer Gesetzesvorlage. Obgleich mancherlei Abänderungsvor-
schläge vorgebracht und besonders über die Frage, ob sog. Grund-
rechte in die Verfassung aufgenommen werden sollten, sehr erregte
Debatten geführt wurden, so hielt doch die grosse Mehrheit des
Reichstages konsequent an dem Standpunkt fest, »dass es sich bei
dieser Vorlage gar nicht darum handeln könne, die Verfassung ma-
teriell zu verbessern, sondern nur das zu redigiren, was früher durch
Beschlüsse und Verträge der kompetenten Organe bereits festgestellt
worden war, dass der Reichstag nur darüber sein Votum abzugeben
habe, ob die von der Bundesregierung vorgelegte Redaktion mit den
frühern Beschlüssen und Verträgen stimme und ob diese Fassung rich-
tig gewählt sei oder nicht«. Es wurde daher, unter Ablehnung aller
Amendements, am 14. April 1871 der revidirte Entwurf
einer Reichsverfassung vom Reichstage angenommen und
am 16. April 1871 im Reichsgesetzblatt verkündigt. Da das Reichs-
gesetzblatt (No. 16), welches das Publikationspatent enthält, zu
Berlin am 20. April ausgegeben wurde, so ist nach vierzehntägiger
Frist, also am 5. Mai 1871, diese neue Redaktion der Reichsverfas-
sung im ganzen Reiche in Kraft getreten. Durch das Publikations-
patent vom 16. April 1871 ıst an die Stelle der ın verschiedenen
Urkunden zerstreuten, am 1. Januar 1871 in Kraft getretenen Ver-
fassung die neue Verfassung vom 16. April 1876 getreten, welche
jetzt allein die formell gültige Quelle des Verfassungsrechtes ım
deutschen Reiche ist, während die frühern ın den Novemberverträ-