Von dem Charakter des deutschen Landesstaatsrechtes überhaupt. 181
3) Jeder deutsche Einzelstaat hat sein besonderes. auf den ihm
eigenthümlichen Quellen. namentlich seiner Verfassungsurkunde,
beruhendes Staatsrecht, welches aber durch die Reichsverfassung
wesentlich verändert worden ist und noch immer mehr verändert
werden kann, da alle Reichsgesetze den Landesgesetzen, selbst den
Verfassungen der Einzelstaaten, unbedingt vorgehen. Dennoch muss
das Landesstaatsrecht auch heutzutage noch als selbständiges. für
sich bestehendes Ganze dargestellt werden, aber unter fortwähren-
der Rücksicht auf die hereingreifenden Sätze des übergeordneten
Reichsstaatsrechtes.
4) Die Verfassungsform der deutschen Einzelstaaten ist ver-
schieden. Unter den 25 Staaten des deutschen Reiches giebt es drei
Republiken: Lübeck, Bremen und Hamburg, 22 sind monarchisch.
Mit Ausnahme der beiden Grossherzogthümer Mecklenburg sind
alle deutschen Staaten durch eine Verfassungsurkunde ın die Reihe
der konstitutionellen getreten, seit Gründung des norddeutschen
Bundes noch einige zurückgebliebene kleinere Fürstenthümer wie
Schaumburg-Lippe und Reuss ä. L. Ihr Staatsrecht ist ein konsti-
tutionell-monarchisches. Dies entscheidet auch für die Darstellung.
Da es hier nicht die Aufgabe sein kann, die Staatsrechte der 25
deutschen Einzelstaaten statistisch neben einander zu stellen, son-
dern es darauf ankommt, die gemeinsamen leitenden Grundgedanken
ım Staatsrechte der Einzelstaaten nachzuweisen, so muss eine wissen-
schaftliche Darstellung des deutschen Landesstaatsrechts sich auf
die normale Ausprägung des modernen deutschen Staatsgedankens
in der Form der konstitutionellen Monarchie beschränken und kann
die ausnahmsweise Entwickelung der drei kleinen Republiken, so
wie die veraltete Staatsordnung Mecklenburgs. nur nebenbei berück-
sichtigen.
5) Die konstitutionelle Monarchie, als die normale deutsche
Staatsform der Gegenwart, hatsich ın Deutschland mannigfach eigen-
thümlich entwickelt, abweichend von den übrigen konstitutionellen
Staaten Europas. In allen deutschen Staaten ist der Monarch Inhaber
der gesammten Staatsgewalt, nur beschränkt durch Verfassung und
Gesetzund gebunden an die Mitwirkunganderer selbständiger Organe.
Freilich hat diemonarchische Gewalt durch die Reichsverfassung neue
Beschränkungen erlitten. Die Grenzen derselben liegen jetzt nicht
nur ın der Landesverfassung, sondern auch in der Reichsverfassung,
welche den Einzelstaaten wichtige staatliche Funktionen entzieht,
die damit auch der Machtbefugniss der Fürsten. als Landesherrn