Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

8 Einleitung. 
85. 
Die Quellen des deutschen Staatsrechtes. 
'Einl. 8 6—12.) 
Die einzelnen staatsrechtlichen Rechtssätze entstehen entweder 
auf allmälige, unsichtbare Weise, durch unmittelbare Wirkung des 
Volkslebens, oder sie werden absichtlich durch einen gültigen 
Willensakt der Obrigkeit festgestellt, welche in dem ıhr ınter- 
geordneten Kreise Recht zu setzen berufen ıst. Wir unterscheiden 
(laher, ganz wie im Bereiche des Privatrechtes, Gewohnheits- 
recht und Gesetzesrecht, geschriebenes und ungeschriebenes 
Recht, jus scriptum und jus non scriptum. 
I. Geschriebenes Recht: 
I) Gesetze, d.h. von der Staatsgewalt, kraft der ıhr zustehen- 
den Autorität, zur allgemeinen Befolgung veröffentlichte Normen, 
wodurch das ım Staate bestehende Recht verändert 
wird. Aber nicht alle staatlichen Gesetze sind Quellen des Staats- 
rechtes, sondern nur diejenigen, welche sich ıhrem Inhalt nach 
mit staatsrechtlichen Gegenständen beschäftigen, sich also auf die 
Verfassung und Regierung des Staates beziehen. In den meisten 
deutschen Staaten hat eine Kodifikation der wichtigsten staatsrecht- 
lichen Grundsätze in einer sog. Verfassungsurkunde oder 
einem Staatsgrundgesetze stattgefunden. Diese bilden die 
wichtigste Quelle des deutschen Staatsrechtes. 
2) Verträge. \Vährend die Gesetze der Ausdruck des höchsten 
einheitlichen Staatswillens sind, kommen diese durch Vereinbarung 
mehrerer selbständiger Faktoren zu Stande. Dies sind: 
aAVerträge zwıschen mehreren selbständigen 
Staaten; diese gehören ıhrer Entstehung und ıhrer juristischen 
Natur nach ın das Völkerrecht, ıhr Inhalt kann sich aber auch 
auf die innern Verhältnisse der vertragschliessenden Staaten be- 
ziehen und staatsrechtliche Bestimmungen enthalten. Rechtsver- 
bindlich für die Unterthanen werden sie nur dadurch, dass sie 
von der Obrigkeit der vertragschliessenden Staaten verkündigt 
werden zum Zwecke der allgemeinen Nachachtung und Befolgung; 
dann erhalten sie ganz die Bedeutung von Gesetzen. 
b) Verträge zwischen mehreren selbständig sich gegenüber 
stehenden Körperschaften oder Gliedern desselben Staates über 
staatsrechtliche Gegenstände. Der unentwickelte Staat des Mittel-
	        
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