1. Von dem Staatsoberhaupte oder dem Monarchen. 211
scharfsinnig C. F. v. Gerber, »Ueber die Theilbarkeit deutscher Staats-
gebiete« (a. a. O. S. 5—24j, H. Schulze in Bluntschli's Staatsw. B.X.
Ss. 518—534. Art. Thronfolge.
II. Die geltenden Grundsätze der deutschen 'Thronfolge.
8 92.
Im Allgemeinen.
Allerdings hat sich, im Laufe dieses Jahrhunderts, in der staats-
rechtlichen Stellung der deutschen Territorien eine tiefgreifende
Veränderung vollzogen; sie sind Staaten, ihre Fürsten Staatsregen-
ten, die Succession eine wahre Staatssuccession geworden.
Damit aber ist keineswegs gesagt, dass das alte historisch begrün-
dete Successionsrecht der Dynastien lediglich auf dem Artikel einer
neuen Verfassungsurkunde beruhe, dass die deutschen Fürsten ge-
wissermassen als novi acquirentes zu betrachten seien. Vielmehr ist
das Successionsrecht der deutschen Fürstenhäuser das alte ange-
stammte !, in seinem Rechtsgrunde unveränderte geblieben, insoweit
es mit den Bestimmungen und dem Geiste der Verfassungen und
dem \esen der konstitutionellen Staatsordnung in Einklang zu
bringen ist. Somit ist das ganze fürstliche Successionsrecht, wie es
sich zu Reichszeiten ausgebildet, keineswegs antiquirt, sondern nur
durch das siegreich durchgedrungene Staatsprinzip wesentlich rekti-
ficirt. Es können daher auch heutzutage ältere Hausgesetze, Familien-
observanzen und in subsidium das gemeine deutsche Fürstenrecht als
Rechtsnormen bei fürstlichen Successionsfällen in Betracht kom-
men?. In diesem Sinne wird auch in der preussischen Verfassung
A. 53 die Fortgeltung der ältern, vorkonstitutionellen Hausgesetze
ausdrücklich bestätigt. Unzweifelhaft bezieht sich dies auch auf die
lehenrechtlichen Grundsätze, welche früher, in Ermangelung
1 So kann man z. B. sagen, dass das Recht der Thronfolge in Bayern zu-
nächst allerdings auf den entsprechenden Bestimmungen der bayerischen Ver-
fassungsurkunde von 1818 beruht, zugleich seine Begründung aber in der 1180
erfolgten Belehnung Otto’s von Wittelsbach, als noch fortwirkendem Rechtstitel,
findet‘ v. Moy, Lehrbuch des bayerischen Staatsrechtes. B. I. $ 93. 8. 105.
2 Ueber die in Successionsstreitigkeiten anzuwendenden Rechtsnormen vgl.
besonders die Beilage III. zu Pütter’s primae lineae. (Göttingen 1757): De
normis decidendi successionem familiarum illustrium controversam.« Hier wird
nachgewiesen, dass auf diesem Gebiete jede selbst analoge Anwendung des rö-
mischen Rechtes ausgeschlossen ist, da es von den erlauchten Häusern für ihre
Erb- und Familienverhältnisse nie als gemeines Recht recipirt worden ist.
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