1. Von dem Staatsoberhaupte oder dem Monarchen. 217
der Mitglieder dieses Hauses festzustellen. Unrichtig ist aber die Moti-
virung des Hausgesetzes von 1833 (HausgesetzeB.I.S. 488): »dass
das Aufsichtsrecht des regierenden Herrn über die Vermählungen der
Prinzen und Prinzessinnen wesentlich in der Souveränetät be-
gründet sei.« In der neuerworbenen Souveränetät lag nur als nothwen-
dige Folge, dass die Mitglieder des Hauses jetzt auch Unterthanen
des regierenden Herrn, als des Staatsoberhauptes, geworden sind; dagegen
kann eine specielle Beschränkung der persönlichen Freiheit, wodurch den
Mitgliedern des Hauses das allgemeine Recht der freien Eheschliessung
entzogen werden soll, auch nur durch eine besondere gesetzliche Be-
stimmung eingeführt werden. Nach unserer persönlichen Kenntniss be-
steht auch dieses Erforderniss keineswegs heutzutage in allen regierenden
Häusern, sondern nur in denjenigen, wo die Hausverfassung auf Grund-
lage des modernen Staatsrechtes neu regulirt worden ist. So erliessen die
drei regierenden Herrn des fürstlichen Hauses Reuss am 10. November
1844 eine derartige Verfügung (Hausgesetze B. II. S. 356); gegen
diesen Beschluss legten aber mehrere Agnaten Verwahrung ein. Eıst in
dem jetzt vorliegenden Entwurfe eines ncuen reussischen Hausgesetzes
j. I. soll diese Nothwendigkeit des Ehekonsenses grundsätzlich festge-
stellt werden. Auch in auswärtigen souveränen Häusern ist dieses Er-
forderniss hie und da erst in neuerer Zeit eingeführt worden, so in Eng-
land 1772 durch die sog. Royal Marriage Act [HausgesetzeB. 1.
S. 486), in welcher indessen dem Ermessen des Familienoberhauptes
Mass und Ziel gesetzt und die persönliche Freiheit der über 25 Jahre alten
Familienglieder dadurch gewahrt ist, dass die Endentscheidung bei dem
Parlamente liegt. Für diese Rechtsmaterie sehr belehrend sind die
Schriften über die Ehe des Herzogs von Sussex mit Lady Auguste Murray,
indem ein aus dieser Ehe entsprossener Sohn, Sir August d’Este, 1835
Ansprüche auf die Eigenschaft eines königlichen hannöverschen Prinzen
erhob. Die Nichtigkeit dieser 1793 geschlossenen Ehe stand für Eng-
land fest, weil der Herzog von Sussex den nach der Royal Marriage Act
von 1772 nothwendigen Konsens des Familienoberhauptes, Königs
Georg’s III., nicht eingeholt hatte. Dieses Gesetz galt freilich nicht für
Hannover, aber Georg III. war nicht nur der König und Familienchef
dieses Prinzen, sondern auch sein Vater. Daher war auch in Deutschland,
nach damals geltendem evangelischem Kirchenrechte (Art. Smalc. de pot.
episc. beiHasep. 355. Ac. L. Richter, Kirchenrecht $ 272) diese Ehe wegen
mangelnder väterlicher Einwilligung nicht rechtsbeständig, abgesehen
von allen andern rechtlichen Mängeln derselben. Diesen richtigen Stand-
punkt vertheidigen K. Fr. Eichhorn, Ueber die Ehe des Herzogs von
Sussex mit Lady Augusta Murray. Berlin 1836. R. Mohl, Die An-
sprüche des Obersten Sir A. d’Este auf die Thronfolge in Grossbritannien
und Hannover. Tübingen 1835. K.E. Schmid, Ueber die Thron-
folgeordnung in Grossbritannien und Hannover und die Ansprüche der
Geschwister Fr. A. und Augusta Emma von Este (Jena 1835), gegen
K. S. Zachariä, Rechtsgutachten über die Ansprüche August's von
Este auf Titel, Würden und Rechte eines Prinzen von Hannover, Heidel-
berg 1834, und J. L. Klüber, in seinen Abhandlungen und Beobach-