1. Von dem Staatsoberhaupte oder dem Monarchen. 223
eine abweichende gelindere Familienobservanz vollständig erwiesen ist,
ist das Haus Oldenburg, welches seit Jahrhunderten Ehen mit Damen des
niedern Adels als ebenbürtig betrachtet hat, worauf seine nahe Beziehung
zu dem scandinavischen Norden eingewirkt haben mag, welcher niemals
das engherzige deutsche Ebenbürtigkeitsprincip gekannt hat. (Samwer,
die Staatserbfolge des Herzogthums Schleswig-Holstein, Hamburg 1844,
S. 119 ff.) Doch ist das Grossherzoglich Oldenburgische Haus in seinem
neuesten Hausgesetz vom 1. September 1872 A. 9 von seinem alten Fa-
milienrechte abgewichen und hat sich zu den strengsten Ebenbürtigkeits-
grundsätzen bekannt. (HausgesetzB.II. S. 454.) Dagegen konnten die
blos reichsgräflichen und neufürstlichen Familien, aus denen
mehrere jetzt regierende Häuser hervorgegangen sind, das strengere Prin-
zip weniger festhalten und möchte daher bei ihnen eine allgemeine Aus-
nahme von der Regel zuzugeben sein, jedenfalls wenigstens der Nachweis
einer gelindern Familienobservanz leichter erbracht werden können. So
sind in dem ehemals reichsgräflichen Hause zur Lippe, auch in Schaum-
burg-Lippe, Ehen mit Damen von altem niedern Adel stets als ebenbürtig
betrachtet worden (Hausgesetze B. II. S. 143); so wird in einem Ver-
trage der erbherrlichen Linie von 1762 nur der freiherrliche Stand der
Gemahlinnen verlangt; in dem ehemals reichsgräflichen Hause Reuss
wird laut dem Familienvertrage von 1668 der »herrliche Stand« der Ge-
mahlinnen verlangt, ein Grundsatz, welchem man auch in dem neuesten
(von mir verfassten) Entwurfe eines Hausgesetzes treu geblieben ist. Das
strenge Princip gilt dagegen wieder in dem neufürstlichen Hause Schwarz-
burg nach der Sondershäuser Verfassung von 1841 81.
Nachdem so die Grenzen der Ebenbürtigkeit festgestellt und zugleich
die möglichen Abweichungen von dem gemeinrechtlichen Prinzip darge-
legt worden sind, müssen noch folgende Grundsätze für das praktische
Recht hervorgehoben werden:
1) Jede an sich nicht ebenbürtige Ehe kann durch den hinzutreten-
den Konsens aller successionsberechtigten Agnaten in eine ebenbürtige
verwandelt werden, Der Konsens des regierenden Herrn alleın reicht
nicht aus, weil es sich um wohlerworbene agnatische Rechte handelt.
Der agnatische Konsens kann entweder so ertheilt werden, dass die aus
einer an sich unebenbürtigen Ehe geborenen Kinder sogleich als suc-
cessionsfähig anerkannt werden, oder so, dass solchen Kindern nur ein
eventuelles Successionsrecht eingeräumt wird. Ein berühmtes Bei-
spiel für den ersten Fall ist die Vermählung des Fürsten Leopold von An-
halt-Dessau mit Anna Fösen 1698, wo durch Zusammenwirken kaiserlicher
Standeserhöhung und agnatischen Konsenses diese unzweifelhafte Misshei-
rath in eine vollgiltige Ehe verwandelt und die daraus entsprossenen Kin-
der sogleich für successionsfähig erklärt wurden. Ein nur eventuelles
Successionsrecht räumten z. B. dagegen die Agnaten den Nachkommen
aus der Ehe des Herzogs Ferdinand von Bayern mit Maria Pettenbeck
(1588) ein, doch sind die Nachkommen aus dieser Ehe, die Grafen von
Wartenberg, 1736 erloschen.
2) Ist eine solche Ehe kraft des agnatischen Konsenses in der be-
treffenden Familie als rechtmässig und vollwirksam anerkannt, so kann