Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

2394 Il. Das Landesstaatsrecht. 
den daraus entsprossenen Descendenten später niemals von den Agnaten 
die standesmässige Abstammung bestritten werden. 
3) Die Ebenbürtigkeit eines fürstlichen Kindes kann immer nur 
nach den Grundsätzen beurtheilt werden, welche in dem Fürstenhause 
gelten, welchem dasselbe nach seiner Geburt angehört. Wird es in seiner 
eigenen Familie als vollberechtigtes Familienglied angesehen , was ins- 
besondere durch Beilegung des betreffenden Haustitels, durch Zuerken- 
nung der hausgesetzlichen pekuniären Vortheile, z. B. durch Apanagen- 
empfang unzweideutig ausgedrückt wird, so müssen alle andern fürstlichen 
Familien es ebenfalls als ebenbürtiges Glied des betreffenden Hauses 
gelten lassen. Die Ebenbürtigkeitsfrage ist eine Hausangelegenheit jedes 
Fürstenhauses, dessen Agnaten jetzt das einzige Forum für ihre Ent- 
scheidung bilden. 
Diese drei letzten Sätze sind eine unentbehrliche Grundlage des 
fürstlichen Familienrechtes. Wer sie läugnen wollte, würde das ganze 
Ehe- und Erbrecht der fürstlichen Häuser in die unsäglichste Verwirrung 
bringen. Es kann der Ebenbürtigkeit eines Prinzen oder einer Prinzessin 
keinen Eintrag thun, wenn unter den Ahnfrauen derselben eine dem 
niedern Adel angehörige oder bürgerliche Ahnfrau sich befindet, sobald 
nur den oben entwickelten Grundsätzen der agnatischen Anerkennung 
Rechnung getragen ist. Eine stiftsmässige Ahnenprobe ist 
niemals ein Institut des deutschen Fürstenrechts ge- 
wesen. 
Uebrigens ist es im deutschen Fürstenstande, besonders in neuerer 
Zeit, üblich geworden, zur Vermeidung aller unklaren Verhältnisse, gleich 
beim Eingehen einer ungleichen Ehe die Wirkungen derselben vertrags- 
mässig festzustellen, disparagium ex pacto tale, matrimonium ad mor- 
ganaticam s. ad legem Salicam, morganatische Ehe, sog. Ehe zur linken 
Hand. Püttera.a.O. S. 361—377. Moser, Familienstaatsr. Th. II. 
S. 105. de Niebelschütz, comment. de matrim. ad morganaticam. 
Halae 1850. II. F. 29. I. F. 26 $ 16. »Das Verneinende in Anse- 
hung aller Ansprüche der Ehegattin auf Stand und Würde des Gemahles 
und der Kinder auf Stand und Würde des Vaters ist von selbst in den 
Rechten ausgemacht. Das Bejahende, was sowohl Gemahlin als Kin- 
der für Namen, Stand, Wappen und Titel führen und was sie zum Un- 
terhalt haben sollen, erheischt eine vertragsmässige Bestimmung. Durch 
diesen Vertrag unterscheiden sich morganatische Ehen von andern Miss- 
heirathen«. Es giebt Hausgesetze, welche den Nachgeborenen das Ein- 
gehen von morganatischen Ehen geradezu empfehlen. Testament Adolf 
Friedrich’s von Mecklenburg von 1654 (Hausgesetze, B. U. S. 196). 
In einem solehen Vertrage können Kindern aus einer morganatischen Ehe 
sehr wohl eventuelle Successionsrechte beigelegt werden, wenn dies mit 
Zustimmung aller Agnaten oder für den Fall geschieht, dass successions- 
berechtigte Anwärter nicht mehr vorhanden sind. Ein bekanntes Beispiel 
eines solchen Vorbehaltes eines eventuellen Successionsrechtes bietet die 
zweite Ehe des damaligen Markgrafen, nachmaligen Grossherzogs Karl 
Friedrich von Baden mit Luise, geb. Freiin Geyer v. Geyersberg (1787). 
Den Descendenten aus dieser Ehe wurde durch Disposition vom 20. Fe-
	        
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