Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

256 l. Das Landesstaatsrecht. 
besonders in den neuern Verfassungsurkunden,, welche 'dem wich- 
tigen Institute der Regentschaft meist einen besondern Abschnitt 
widmen. Es giltnun, diesen wichtigen Fortschritt in unserem prak- 
tischen Staatsleben auch theoretisch zu verwerthen. Vor allem 
ist daher die Vormundschaft über die Person und das Vermögen 
eines unmündigen Fürsten durchaus von seiner Vertretung als Lan- 
desherr zu trennen!. Es ist von staatsrechtlichem Gesichtspunkte 
aus ebenso gleichgiltig, ob der Regent zugleich Vormund des un- 
mündigen Fürsten ıst oder nicht, wie für den Staatssuccessor der 
Umstand, ob er zugleich Privaterbe seines Vorgängers geworden 
ist oder nicht. Ueberhaupt muss jede, wenn auch nur analoge Be- 
ziehung der Regentschaft zum Institute der Vormundschaft aufge- 
geben werden und es trägt nur zur Verewigung der alten Unklarheit 
bei, wenn man auch heutzutage noch mit Zacharıä von emer 
»Regierungsvormundschaft« redet oder sogar, wie Zöpfl, 
(lie ganze Privatvormundschaft des fürstlichen Hauses ın das Staats- 
recht hereinzieht. 
111. 
2) Gründe einer eintretenden Regentschaft. 
Der gewöhnlichste Fall, in welchem eine Regentschaft noth- 
wendig wird, ist die Minderjährigkeit des Monarchen. Nur für die 
Kurfürsten war ein Volljährigkeitstermin reichsgesetzlich festge- 
stellt durch die Goldne Bulle VII$ 4, und zwar auf das vollendete 
18. Jahr. Heutzutage ist in allen regierenden Häusern der Voll- 
jährigkeitstermin verfassungsmässig oder hausgesetzlich für den 
regierenden Fürsten festgestellt, welcher oft von dem für die übri- 
gen Glieder des Hauses bestimmten Termine abweicht. In sämmt- 
lichen ehemaligen Kurhäusern, also ım preussischen,, bayerischen, 
königlich sächsischen, württembergischen und badischen Hause ist 
der Volljährigkeitstermin der Goldnen Bulle beibehalten worden. 
Derselbe Termin gilt ausserdem noch für Sachsen-Weimar, Braun- 
I Richtig erklärte Hannover 1829 in der Bundesversammlung: »Die vor- 
mundschaftliche Regierung über einen souveränen Staat lässt sich nicht mit der 
vormundschaftlichen Verwaltung des Vermögens eines Privatmannes auf eine 
Linie stellen.«e Die Verbindung der Regentschaft mit der Privatvormundschaft 
in Einer Person lässt die rechtliche Eigenthümlichkeit beider unberührt, bis- 
weilen wird sie verlangt, wie in der koburg-gothaischen Verfassung $ 14, bis- 
weilen verboten wie in der oldenburgischen $ 27. In Preussen kann die Tutel 
über den minderjährigen Nachfolger des regierenden Königs durch letztwillige 
Disposition auf eine andere Person als den nächsten Agnaten übertragen 
werden, nie aber die Regentschaft.
	        
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