1. Von dem Staatsoberhaupte oder dem Monarchen. 365
verwaltung eines Unmündigen, sondern um die Leitung eines
Staates, welcher vielleicht gerade dringend in einem gegebenen
Jeitmomente eine Umgestaltung seines staatlichen Organismus er-
heischt. Es könnte sogar eine solche Verschliessung verfassungs-
mässıger Reformen leicht zu gefährlichen revolutionären Krisen und
den Staat selbst an den Rand des Abgrundes führen. Auch bei der
Vornahme von Verfassungsänderungen darf sich der Regent, wie
jeder Staatsherrscher, nicht von persönlichen Rücksichten und Mo-
tiven, nıcht von dynastischen Interessen, sondern lediglich vom
Staatswohl leiten lassen, wenn er seine Pflicht gewissenhaft erfüllen
wıll. Der zur Selbstregierung gelangte Monarch ist auch an alle auf
verfassungsmässigem Wege unter der Regentschaft vorgenommenen
Verfassungsänderungen ebenso gebunden, als wenn sie von ihm
selbst oder einem andern legitimen Regierungsvorgänger ausgegan-
gen wären.
Von diesem allein staatsrechtlich korrekten Prinzip, dass dem
Regenten die volle Ausübung der Staatsgewalt, wie dem Monarchen
selbst zustehen müsse, machen freilich manche neuere Verfassungs-
urkunden eine Ausnahme, indem sie dem Regenten bei der Aus-
übung der monarchischen Gewalt einige materielle und for-
melle Beschränkungen auferlegen. So haben neuere Verfassungs-
urkunden dem Regenten gewisse Hoheitsrechte ganz entzogen oder
nur unter gewissen Beschränkungen zugestanden. Am häufigsten
binden ihm neuere Verfassungsgesetze in Betreff von Verfassungs-
änderungen die Hände. So bestimmt die württembergische Ver-
fassung $ 15, dass eine während einer Regentschaft vorgenommene
Verfassungsänderung nur für die Dauer der Regentschaft
Giltigkeit habe, die sächsische Verfassung $ 12 gestattet eine defini-
tive Verfassungsänderung nur unter vorgängiger Zustimmung des
Familienrathes. welcher aus allen volljährigen Prinzen des Hauses
besteht, eine Bestimmung, welche auch die oldenburgische Verfassung
A.25 angenommen hat (ähnliche Bestimmungen des hannöverschen
Landesverfassungsgesetzes von 1540823). Ausserdem kommen noch
manche andere materielle Beschränkungen in den einzelnen Ver-
fassungen vor. So enthält die bayerische Verfassung II $ 17 die
(höchst unzweckmässige) Bestimmung, wornach der Regent alle
Aemter mit Ausnahme der Richterstellen nur provisorisch besetzen
kann. Auch darf er keine neuen Aemter schaffen, keine Krongüter
veräussern, keine heimgefallenen Lehen vergeben. In Württemberg
(8 15) darf der Regent keine Standeserhöhungen vornehmen. keine