970 I. Das Landesstaatsrecht.
Wenn nach Beendigung der Regentschaft der Monarch selbst
die Regierung antritt, so ist er an alle verfassungsmässigen Hand-
lungen des Regenten ebenso gebunden, wie jeder Nachfolger an die
seines legitimen Regierungsvorgängers. Jede Analogie eines privat-
rechtlichen Vormundschaftsverhältnisses bleibt ausgeschlossen. na-
mentlich ist eine in integrum restitutio gegen angebliche \Verletzun-
gen von Seiten des Regenten unstatthaft. Der einzig staatsrechtlich
korrekte Massstab für die Regierungslandlungen des Regenten
bleibt ihre Verfassungsmässigkeit.
$ 115.
II. Vorübergehende Stellvertretung des Monarchen !.
Abgesehen davon, dass einzelne Zustände des Monarchen. z.B.
Minderjährigkeit, entschiedene Geisteskrankheit, immer und Jeden-
falls eine Regentschaft herbeiführen müssen, liegt es schon ın der
juristischen Natur der Regentschaft, dass dieselbe auf eine voraus-
sichtlich bleibende oder wenigstens länger dauernde Verhinderung
des Monarchen berechnet ist?. Es kommen aber überall im Staats-
fertigen; denn ein solcher vom Zufall abhängiger Wechsel streitet gegen die,
wenn auch interimistische staatsoberhauptliche Stellung des Regenten und seinen
wahrhaft monarchischen Beruf. Ueber die Fähigkeit zur Regentschaft entschei-
det die Zeit der Delation. Treffend sagt v. Gerbera. a, 0.834: »Es kann im
allgemeinen keineswegs als selbstverständlich betrachtet werden, dass die für
den Erwerb eines Rechtes bestehenden Voraussetzungen immer auch fort-
dauernde Bedingungen seiner Innehabung sind.« Die richtige Ansicht verthei-
digt Moser, Persönl. Staatsr. B. I. S. 189, freilich aus nicht ganz zutreffenden
staatsrechtlichen Gründen. Vergl. Pözl, Bayerisches Verfassungsrecht B. I.
$ 154. Anm. 5, und in seinem oben angeführten Artikel»Regentschaft«.
iv. Rönne, Preuss. Staatsr. 'I. Aufl. 1856: B.I. S. 281. Abweichend
II. und IH. Aufl. v. Mohl, Württemb. Staatsr. B. I. S. 307. $65. Der-
selbe in seinem oben genannten Aufsatze über die ständischen Rechte bei der
Reichsverwesung 8. 149. n. 1. Es ist ein Verdienst des damaligen württem-
bergischen Abgeordneten, jetzigen Staatsministers v. Mittnacht, diesen bis da-
hin noch nicht monographisch behandelten Gegenstand zuerst eingehend ju-
ristisch behandelt zu haben. In der deutschen Vierteljahrschr. 27. Jahrg. 1864.
II. Heft. II. Abth. 8. 222. 245, »Ueber die Stellvertretung des vorübergehend
gehinderten Fürsten«.) Für die in Preussen soviel Aufregung hervorrufende Stell-
vertretungs- und Regentschaftsfrage in den Jahren 1857—58 vergl. den erwähnten
Aufsatz in Haym’s Jahrb. B. II. S. 435—457 und die Materialien zur Ge-
schichte der Regentschaft in Preussen.
2 ])ie Verfassungen von Preussen A. 56, von Oldenburg A. 20. Reuss j. L.
$ 46, Waldeck $ 19 sprechen von dauernder Verhinderung; diejenigen von
Bayern $ 9, Sachsen $ 9, Kurhessen 1831 $7 von einer Verhinderung auf längere
Zeit; aber auch diejenigen Verfassungen, welche nur im allgemeinen von Un-
fähigkeit oder Unmöglichkeit zu regieren sprechen, sind nicht anders zu ver-
stehen.