Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

2. Von den Staatsämtern. 315 
dem Jahre 1848 die vorwiegende Tendenz haben, den Beamten 
in der Sicherung ihres Diensteinkommens und in der Versor- 
gung ihrer Ilinterbliebenen möglichst gerecht zu werden, sind 
die Gesetze aus der auf das Jahr 1848 folgenden Reaktionszeit 
besonders darauf gerichtet, die Ausschreitungen des Beamten- 
standes zu bekämpfen und die gelockerte Disciplin wiederherzu- 
stellen. Dahin gehören vor allem die preussischen Gesetze be- 
treffend die Dienstvergehen der Richter vom 7. Mai 1851 und be- 
treffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten vom 
21. Juli 1852, welche einen massgebenden Einfluss auf die Gesetz- 
gebung der kleineren Staaten ausübten. Kurz vor der Gründung 
des norddeutschen Bundes erhielt das Grossherzogthum Oldenburg 
sein revidirtes Civilstaatsdienergesetz vom 28. März 1867. Seitdem 
im Anfange der siebziger Jahre das Spekulationsfieber der soge- 
nannten Gründungsperiode auch das Deamtenthum hie und da 
angesteckt hatte, kam, als Zeichen der Zeit, in viele Beamtengesetze 
ein Verbot der Betheiligung der Staatsbeamten bei der Gründung 
und Verwaltung von Aktien-, Kommandit- und Bergwerksgesell- 
schaften (P’reussisches Gesetz vom 10. Juni 1874). 
Das neue deutsche Reich übernahm so umfassende staatliche 
Aufgaben, dass es nicht blos durch die Aemter und Beamten der Ein- 
zelstaaten wirken konnte, sondern eines eigenen Amtsorganismus 
und eines eigenen Reichsbeamtenstandes bedurfte. Da es für dessen 
Rechtsverhältnisse keine festen Normen gab, so war ein Reichsbe- 
amtengesetz unbedingt nothwendig. Nach verschiedenen vergeb- 
lichen parlamentarischen Anläufen kam (das umfassende Gesetz 
»üuber die Rechtsverhältnisse derReichsbeamten vom 
31. März 1873« zu Stande!. Dasselbe hat allerdings formell 
Anwendung nur auf die Reichsbeamten, nicht auf die Beamten der 
Einzelstaaten. Dieses wohlerwogene, unter Mitarbeit hervorragen- 
der juristischer Kräfte aller Einzelstaaten im Bundesrathe und 
Reichstage zu Stande gekommene Gesetz kann aber materiell 
als Ausdruck und Zeugniss des allgemeinen deutschen Rechtsbe- 
wusstseins der Gegenwart betrachtet werden und liegt wesentlich 
der folgenden systematischen Darstellung, unter Berücksichtigung 
1 Das hier wesentlich benutzte Hauptwerk ist llermann Kanngiessecr, 
Das Recht der deutschen Reichsbeamten. Gesetz vom 3!. März 1573. Aus den 
Materialien und der Reichs- und Landcsgesetzgebung erläutert. Berlin 1874. 
Ferner Frhr. v. Zedlitz-Neukirch, Vic Rechtsverhältnisse der Reichsbe- 
amten. Berlin 1873. F. Thudichum, )as Reichsbeamtenrecht. Annalen des 
deutschen Reichs. 1876. 8. 265 ff.
	        
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