324 I. Das Landesstaatsrecht.
jedem Beamten sein Amt noch besondere amtsmässige Pflichten auf.
Dahin gehört vor allem die sorgsame und gewissenhafte Ausübung
aller ihm obliegenden Funktionen. Er hat bei seiner Amtsführung
»die genaueste Aufmerksamkeit anzuwenden, den höchsten Fleiss
zu prästiren« (Allgemeines Landrecht IH. 10. $ 88). Die Pflichten
der Beamten in Beziehung auf das ihnen anvertraute Amt werden
durch die darüber ergangenen besonderen Gesetze und durch ihre
Amtsıinstruktionen bestimmt. Wo es an solchen fehlt oder wo
dieselben Lücken zeigen, muss der Beamte sich durch die Natur
und Aufgabe des ihm übertragenen Amtes leiten lassen. Ueberhaupt
darf der tüchtige Beamte nicht beim todten Buchstaben seiner In-
struktion stehen bleiben, er soll sich vielmehr von der ın seinem
Amte liegenden staatlichen Aufgabe durchdringen lassen und dar-
nach handeln. Der Staat verlangt wenigstens von seinen höheren,
wissenschaftlich gebildeten Beamten »intelligenten Gehor-
sam«. Im Grehorsam lassen sich alle Amtspflichten des Beamten zu-
sammenfassen. Der Beamte soll gehorsam sein den Gesetzen, die sich
auf seine Amtsführung beziehen, gehorsam der Dienstinstruktion,
die ıhm beim Antritt seines Amtes übergeben worden ist, gehorsam
aber auch den Anordnungen der vorgesetzten Behörden, die ıhm
während seiner Amtsführung zukommen. Sein Gehorsam ist aber
nur ein amtlicher. Der Beamte ist nicht verpflichtet, Geschäfte
auszuführen, welche gar keine amtlichen sein können, denn er ist
zur Erfüllung von Staatszwecken angestellt, nicht für Privatgeschäfte
seines Vorgesetzten. Schwieriger liegt die Sache, wenn ihm Ge-
schäfte aufgetragen werden, die ihrem Inhalte nach Amtsgeschäfte
sein können, ihm aber aus Rechtsgründen nicht aufgetragen werden
dürfen. Jeder Beamte ist verantwortlich für die Ge-
setzmässigkeit seiner amtlichen Handlungen; er darf
sich daher auch nicht zur Ausführung gesetzwidriger Massregeln
hergeben. Dem Beamten muss daher entschieden ein Prüfungs-
recht der Anordnungen seiner vorgesetzten Behörden eingeräumt
werden, welches zugleich als eine Prüfungspflicht anzusehen ist.
Es kommt nur darauf an zu bestimmen, wie weit sich ein solches
Prüfungsrecht zu erstrecken hat. Nach der allgemeinen deutschen
Rechtsanschauung, welche in den Verhandlungen des deutschen
Reichstages wiederum ihren prägnanten Ausdruck fand, sowie nach
der Praxis der höchsten Gerichtshöfe,, besonders des ehemaligen
preussischen Obertribunals, hat der Beamte entschieden die for-
melle Rechtmässigkeit der ihm ertheilten Vorschriften zu prüfen.