Drittes Kapitel.
Von den Staatsangehörigen.
Erster Abschnitt.
Von dem allgemeinen staatsrechtlichen Zustande
der Staatsangehörigen.
I. Vom Indigenate überhaupt.
8.136.
Staatsangehörige und Fremde!.
Der Mensch ist für den Staat geschaffen, ein »Staatsgeschöpf
von Nature, daher muss regelmässig jeder Mensch einem konkreten
Staate angehören. Staatsangehörigkeit ist der normale, Staatslosig-
keit der abnorme Zustand. Einem Staate angehören heisst ein
bleibendes Glied in seinem Organismus sein. Man kann ver-
schiedenartigen Gemeinwesen zugleich angehören; der Staat ist
aber das alles beherrschende, oberste Gemeinwesen, welches die
ganze Persönlichkeit des Menschen in Anspruch nımmt, soweit sie
überhaupt äusserlich beherrscht werden kann. Darum kann der
Mensch regelmässig nur Einem Staate angehören. Wie niemand
zweien Herren dienen kann, so kann er auch nicht zweien oder
mehreren Staaten zugleich angehören. Das Verhältniss des Staats-
angehörigen zum Staate lässt sich nicht, wie ein obligatorisches, auf
bestimmte einzelne Leistungen zurückführen, sondern umfasst, ähn-
1 J.J. Moser, Vonder Landeshoheit in Ansehung der Unterthanen, Personen
und Vermögen. 1774. Klüber, Oeff. R.$257 ff. Maurenbrecher, Lehrb.
6129 ff. Weiss, System $267 ff, Zöpfl, Grunds. B.1. 8.1.5281. H.A.Zachariä,
B.1. 8.85. 8. 431. Held, System Abth. I. S. 152.891. Bluntschli, B.I.
Kap.XX. G. Meyer, Lehrb. $ 213. S.561. Eine ebenso gelehrte, als scharf-
sinnige Erörterung der Staatsangehörigkeit vom internationalen Standpunkte
verdanken wir jetzt F.v. Martitz: »Das Recht der Staatsangehörigkeit im in-
ternationalen Verkehre« in G. Hirth's Annalen des deutschen Reiches. Jahrg.
1575. 8. 794—835 u. S. 1114-1170. In Deutschland ist durch das Gesetz vom
I. Juni 1870 der Ausdruck Staatsangehörigkeit, Staatsangehöriger zu einem
technischen für das Reich und die Finzelstaaten geworden. Es ist dies die all-
gemeinste Bezeichnung, während die Ausdrücke »Unterthan«, wie »Staatsbürger«
immer schon bestimmte Beziehungen des Verhältnisses ins Auge fassen.