Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

358 I. Das Landesstaatsrecht. 
und Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmässi- 
gen Ausübung seines Amts durch Gewalt oder durch Bedro- 
hung mit Gewalt Widerstand leistet oder wer einen solchen Beam- 
ten, während der rechtmässigen Ausübung seines Amtes, thätlich 
angreift, wird mit Gefängniss bis zu zwei Jahren oder mit Geldbusse 
bis zu 500 Thaler bestraft. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Hand- 
lungen gegen Personen, welche zur Unterstützung des Beamten 
zugezogen waren, oder gegen Mannschaften der bewaffneten Macht 
oder gegen Mannschaften einer Gemeinde - Schutz- oder Bürger- 
wehr in Ausübung des Dienstes begangen wird«. Durch $ 113, welcher 
durch den Reichstag eine sachgemässe Abänderung des im Entwurfe 
beibehaltenen $ S9 des preussischen Strafgesetzbuches erhielt, ist 
die in der Wissenschaft längst durchgedrungene richtige gemein- 
rechtliche Theorie durch die Gesetzgebung sanktionirt und ein wich- 
tiger Fortschritt im Sinne des Rechtsstaates gemacht, indem der 
Beamte »nur in der rechtmässigen Ausübung seines Amtes« gegen 
Widerstand geschützt und ausdrücklich anerkannt wird, dass gegen 
unrechtmässige Ausübung des Amtes jedem Bürger die Noth- 
wehr erlaubt ist, wenn deren Bedingungen überhaupt vorliegen und 
deren gesetzliche Schranken nicht überschritten werden. Fehlt es 
unzweifelhaft an örtlicher oder sachlicher Zuständigkeit des voll- 
streckenden Beamten oder der anordnenden Behörde, an Gesetz- 
mässigkeit des Aktes nach Form und Inhalt oder liegt eine »Aus- 
schreitung« des Beamten vor, so kann von einer strafbaren 
Widerstandshandlung nach $ 113 nicht die Rede sein. Der 
Rechtsstaat hat kein Interesse daran, den ungesetzlich han- 
delnden Beamten zu schützen, dem einzelnen Bürger aber überlässt 
er es, zu beurtheilen, ob die gegen ihn gerichtete Beamtenhandlung 
eine unrechtmässige ist oder ob die Bedingungen der gesetzlichen 
Nothwehr vorliegen. Ob dies wirklich der Fall, hat der Richter 
dann in dem eingeleiteten Strafprocess zu entscheiden. So sehr die 
ausdrückliche Anerkennung dieses Grundsatzes vom nur verfas- 
sungsmässigen und gesetzlichen Gehorsam dem Rechtsstaate ent- 
spricht, so bleibt die Anwendung des thätlichen Widerstandes ge- 
gen die Organe der Obrigkeit für den Einzelnen immerhin ein sehr 
bedenklicher Schritt, da derselbe nur selten mit seinen schwachen 
Kräften der Obrigkeit erfolgreich Widerstand leisten, sich auch 
leicht über die Widerrechtlichkeit der betreffenden Beamtenhand- 
lung täuschen oder wenigstens anderer Ansicht sein kann, als das 
entscheidende Gericht, welches ıhn alsdann zu schweren Strafen
	        
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