Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

3. Von den Staatsangehörigen. 361 
der Unterthanen bestand nicht. Der Wendepunkt unserer deutschen 
Wcehrverfassung vollzieht sich in dem werdenden Grossstaate Bran- 
denburg-Preussen. 
Auch hier wurde, nach vollständigem Verfall der Lehenskriegs- 
verfassung im 17. Jahrhundert, ein stehendes Heer durch Werbung 
gebildet, bis König Friedrich Wilhelm I. durch sein Kantonregle- 
ment vom 15. September 1733 die waffenfähigen Männer vom 16. bis 
zum 45. Jahre zum Heeresdienste verpflichtete und jedem Regiment 
einen Landesbezirk für dıe Aushebung seiner Dienstmannschaften 
anwies. Es waren aber von dieser Dienstpflicht ganze Klassen von 
Personen, ja ganze Städte und Distrikte befreit. Erst in dem 
grossen Aufschwung der Fretheitskriege griff Preussen zum Prinzip 
der gleichen Wehrpflicht und gründete darauf seine für ganz Europa 
vorbildlich gewordene Wehrverfassung. Dieselbe fand in dem Ge- 
seize vom 3. September 1814 ihre Regelung und ist in Art. 34 der 
preussischen Verfassungsurkunde staatsgrundgesetzlich anerkannt: 
»Alle Preussen sind wehrpflichtig.«e Dieses von Preussen zuerst 
aufgestellte und folgerichtig durchgeführte Princip der allgemeinen 
Wehrpflicht ging im Jahre 1848 in die Grundrechte des deutschen 
Volkes über Art. 1187: »Die Wehrpflicht ist für alle gleich, Stellver- 
tretung findet bei derselben nicht statt.“, musste aber in den mitt- 
leren und kleineren Staaten wieder dem Konscriptionssysteme mit 
Loos und Stellvertretung weichen, bis es endlich, durch die Erfolge 
des Jahres 1866 von neuem glänzend bewährt, seinen Eingang in 
die norddeutsche Bundesverfassung, später deutsche Reichsver- 
fassung fand, wo cs im Art. 59 heisst: »Jeder wehrfähige 
Deutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel vom vollendeten 
20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre dem stehenden Hleere, 
und zwar die ersten drei Jahre bei den Fahnen, die letzten vier 
Jahre in der Reserve und die folgenden fünf Jahre der Landwehr 
an.«e Diese Verfassungsbestimmung hat in dem Bundesgesetze 
»betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste« vom 9. November 
1567 (Bundesgesetzblatt 1867. No. 22 Seite 133 ff.) ihre nähere Aus- 
führung erhalten und gilt jetzt für den ganzen Umfang des deut- 
schen Reiches. Mit dieser Militärpflicht im stehenden Heere und 
in der Landwehr ist aber die Anforderung an die Wehrpflicht der 
Unterthanen noch nicht erschöpft, indem im äussersten Nothfalle 
dic Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 
42. Jahre zum Landsturme einberufen werden können. Im 
übrigen ist die Wehrpflicht eine durch das Gesetz genau bemessene
	        
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