Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

24 I. Grundbegriffe des allgemeinen Staatsrechtes. 
niss, wie die Gutsunterthänigkeit, kein kontraktlich-privatrecht- 
liches Band. keine vasallıtische Lehenstreue. sondern staatsrecht- 
liche Unterordnung unter das Oberhaupt eines gesetzlich geordneten 
Gemeinwesens. 
Die Staatsgewalt ruht nicht in der atomisiırten Volksmasse, 
welche vor und ohne den Staat gar kein Rechtssubjekt ist und des- 
halb auch gar keinen Willen haben kann, aber auch nicht in einer 
über und ausser dem Staate stehenden eigenthumsartigen Für- 
stenmacht, sondern lediglich in der anstaltlichen Natur des Staates 
selbst. Dem Staate, als der politisch-herrschenden Persönlichkeit, 
gebührt allein die Staatsgewalt, sie ist dem Staate immanent. ein 
nothwendiges Attribut seines ganzen Daseins. Der Herrscher selbst 
ist nur ein Organ des Staates, das oberste Glied im Organismus 
(dieses vielgegliederten Gemeinwesens. Die neuere Staatsrechts- 
wissenschaft verwirft die Irrlehre der atomistischen Volkssouve- 
ränetät, ebenso wie die der patrimonialen Fürstensouveräne- 
tät, und bekennt sich zu dem allein richtigen Prineip der Staats- 
souveränetät. 
g 16. 
Wort und Begriff der Souveränetät. 
(Einl. 8. 165—168$.) 
Das französische Wort »souverainete« ist aus dem Lateinischen 
entnommen und bedeutet: suprema potestas, suprematia, supre- 
mitas. In diesem Sinne sprach die mittelalterige 'Theorie nur dem 
römisch-deutschen Kaiser, als „dem dominus mundi« die »suprema 
potestas« zu. Erst kraft behaupteter Exemtion legten sich auch die 
andern Monarchen Europa’s die Souveränetät bei und betrachteten 
ihre Gewalt als cine der kaiserlichen gleichgeltende. In diesem 
Sinne gehört zum Wesen der Souveränetät nur die Unabhängigkeit 
von einer andeın fremden, ausserhalb des eigenen Staates stehenden 
Gewalt, besonders von der kaiserlichen. Erst später legte man in 
den Begriff der Souveränetät die Unbeschränktheit des Herr- 
schers den Unterthanen gegenüber, die Abwesenheit verfassungs- 
mässiger Schranken, eine Umprägung (des Degriffes, welche m 
Frankreich mit der Herstellung der absoluten Monarchie aufkam. 
Die heutige Staatsrechtswissenschaft verwirft diesen Missbrauch des 
Wortes. Souveränetät ist ihr nicht die Staatsgewalt selbst, sondern 
nur eine Eigenschaft der Staatsgewalt. welche gar nicht mit der 
Verfassungsform zusammenhängt. Absoluten und konstitutionellen
	        
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